Ambient 02 - Heidern
Vibration versetzt, in ihren Rahmen, stellte sicher, daß niemand uns belauschen konnte, indem er die Töne auffing, mit denen unsere Stimmen auf dem Glas Schwingungen erzeugten. Thatcher ließ sich in den Ledersessel sacken, schwang die Füße auf den Schreibtisch, stieß dabei das Foto von Bernards Frau gegen die Zeichnung ihres Sohns. Ich nahm neben Lester auf dem Sofa Platz, ergriff seine Hand, drückte sie.
»Was haben sie mit dir gemacht?« fragte ich.
»Mich zu Tode gelangweilt«, sagte er. »Jedenfalls bis wir hier hinein sind. Gus und ich verstehn uns ziemlich gut.«
»Wo klemmt's, Macaffrey?« erkundigte sich Thatcher. »Wenn Sie was brauchen, wenden Sie sich an Joanna. Sie wird für alles sorgen. Aber ich glaube, das haben Sie schon gemerkt …«
»Nennen Sie mich Lester.«
»Es geht doch nichts über die vertrauliche Anrede mit dem Vornamen. Lester, ich habe da was und ich möchte, daß Sie's sich mal angucken. Einfach mal schauen, ob Sie daraus was entnehmen können.«
»Was wollen Sie denn daraus entnommen haben?«
»Alles Aufschlußreiche«, antwortete Thatcher. »Hier, Freundchen. Sieht aus wie 'ne Liste, nicht?« Nachdem Thatcher ihm das Papier gereicht hatte, betrachtete Lester den Zettel einen Moment lang. »Können Sie erkennen, wer's geschrieben hat?«
»Natürlich nicht«, entgegnete Lester. »Hat's was mit Ihrem Mitarbeiter zu tun, der ermordet worden ist?«
Ich wußte, daß man meinem Gesicht so wenig anmerkte wie Gus' Miene; Thatcher versuchte den Eindruck zu erwecken, er hätte eine Lobotomie hinter sich, doch seine Augen spiegelten eine geradezu bestürzende Mischung aus Verlangen und Furcht wider, den Ausdruck eines Gewalttäters, der auf unvermutete Störungen lauscht und plötzlich spürt, daß sein Opfer ihn ersticht. Er linste zu mir herüber, als hoffte er, mir ein Geständnis der Schwatzhaftigkeit anzusehen; doch er sah nichts dergleichen. »Stimmt«, sagte er. »Jemand steckt tief in der Scheiße, und ich möchte helfen, ehe sie ihm bis über die Augen schwappt.«
Lester gab Thatcher den Zettel zurück, preßte sich tiefer ins Sofa, lehnte seine an meine Schulter. »Ich bin davon überzeugt, daß Sie nur die besten Absichten haben. Was wissen Sie bis jetzt über den Wisch?«
»Mahaica heißt ein Hafen in Guayana«, sagte Thatcher. »Michael Moseley ist, da sind wir weitgehend sicher, der Deckname eines dort tätigen Exporteurs …«
»Mystic meint das Kaff in Connecticut«, unterbrach ihn Lester.
Thatcher nahm die Mitteilung zur Kenntnis wie den Wetterbericht; das konnte ich mir nur so erklären, daß die vorherige Betroffenheit sein Nervensystem noch gegen etwaiges weiteres Erschrecken abpolsterte. »Sind Sie sicher?« Lester nickte. »Wieso?«
»Keine Ahnung«, gestand Lester. »Ist mir eben eingefallen.«
Thatcher musterte Lester, als ob er an ihm Maß nähme. »Tja, das war wohl zu erwarten. Na gut, 's ist so wahrscheinlich wie alles andere. Gehen wir mal davon aus, daß was dran ist, und kümmern uns darum. Also, Gus? Kann's möglich sein, daß in Mystic irgend was für uns von Interesse ist?«
»Könnte sein.«
»Forschen Sie mal nach«, beharrte Thatcher. »Wissen Sie, manchmal ist's komisch.« Er holte aus der Jackentasche zwei gefaltete Papiere. »Man ahnt ja nie, auf was man nicht alles stößt. Am Wochenende habe ich was gesucht und bin dabei in vollständig anderer Beziehung fündig geworden. Und zwar in einer Hinsicht, die auf Jensens Ermordung ein völlig anderes Licht wirft.«
»Inwiefern?«
»Er ist nicht tot.«
Am Anfang unserer Affäre bestand Thatcher auf der Vorstellung, daß seine Sekretärin die Gespräche in seinem Büro durch Radiowellen belauschte, denen seine Zahnplomben als Relais dienten. Nach ihrer Entlassung entdeckte man tatsächlich elektronische Geräte in ihrem Schreibtisch; für wen sie nebenbei gearbeitet hatte, kam nie heraus. Obwohl Thatcher an zahlreichen wahnhaften Einbildungen litt – und in meiner Abwesenheit konnte er sich durchaus wieder in irgend etwas dieser Art verbohrt haben –, durfte man nicht die Möglichkeit ausschließen, daß er auch diesmal recht behielt.
»Ich weiß, wann ich einen Toten sehe«, behauptete Gus.
»Sie haben ihn nicht als Toten gesehen«, erwiderte Thatcher. »Da war er fast tot, aber das ist nicht ganz tot.«
»Wo steckt er denn, wenn er noch lebt?«
»Glauben Sie etwa, ich bemühe mich nicht, das herauszufinden? Wäre eine Leiche vorhanden gewesen, hätte man sie dann nicht, wie's die
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