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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Liebling«, sagte Thatcher. Susie lächelte und mümmelte Hüttenkäse, aß pro Bissen nur ein Klümpchen. Die strenge Diät, die sie in diesem Jahr einhielt, erlaubte ihr ausschließlich weiße Nahrungsmittel: Auf ihrem Teller sah man verschiedenerlei Weißschattierungen, die Farbtöne von Blumenkohl, Höhlenspargel, Kartoffelbrei und Joghurt pur. Die Mehrheit am Tisch futterte, als hätte sie seit Wochen nichts gegessen. Weder wirkte Bernard hungriger als ich, noch Lester. Jake führte mit abgespreiztem Skalpellfinger sein Täßchen Tee zum Mund.
    »Vatter«, kauderwelschte der Junior und schaute in seine Richtung, aber ihn nicht an. »Tu mir Brott.«
    Thatcher starrte auf eine Stelle in ungefähr halbem Abstand vom Kleinen, als böte sich ihm ein völlig unwahrscheinlicher Anblick. »Erst wenn du englisch gelernt hast«, erwiderte er. »Möchtest du's noch mal versuchen?«
    Junior bewegte die Lippen, ohne einen Laut von sich zu geben; dabei erregte er den Eindruck, als spräche er, ohne etwas von einem Verlust der Stimme zu ahnen. »Brott, Vatter«, wiederholte er, indem er die Lautstärke erhöhte. »Stärke mutta her.«
    »Ja, für Oberhemden«, schnauzte Thatcher. »Willst du Semmeln?« Sein Junior zuckte wie im Schlaf; für eine Sekunde schrak er mimosenhaft von der Tischkante zurück, dann beugte er sich, weil er sich dabei ertappte, Schwäche zu zeigen, ruckartig vor, rammte mit der Brust den Teller, stieß ihn gegen das Glas. Es kippte um, der Inhalt tränkte die Tischdecke. Ein Hausdiener kam mit einem Geschirrtuch. »In der Geschäftswelt mußt du wenigstens richtig sprechen können«, sagte Thatcher. Seiner Miene merkte ich an, daß er Mühe aufwenden mußte, um nicht in Gelächter auszubrechen. »Wirst du das je kapieren?«
    »De Weld itta postallabetisch, Vatter …«
    »Hör dir an, wie Bernard redet«, riet Thatcher. »Daran solltest du dir 'n Vorbild nehmen. Irgendwann wirst wahrscheinlich du der Boss sein, und was soll man von dir denken, wenn deine Untergebenen sich besser als du artikulieren?«
    Bernard legte Messer und Gabel auf seinen Teller, machte für sich der Qual des Hinabwürgens ein Ende. Er sagte nichts von alledem, wovon ich gehofft hatte, daß er es ausspräche.
    »Gerafft, Vatter. Total logo. Voll da Bär.«
    »Du vernageltes Rindvieh«, sagte Thatcher, erhob sich, wie um genauer zielen zu können, vom Stuhl. »Da sind deine verdammten Semmeln. Nächstes Mal brauchst du gar nicht zu fragen, wenn du nicht in anständigem Englisch fragst.« Er schleuderte einen hochauf mit Brötchen vollgepackten Weidenkorb nach seinem Sohn; der Kleine riß die Arme hoch, um Treffer abzuwehren. Die Brötchen flogen durchs ganze Zimmer, prallten vom Tisch, von Wänden und Gästen ab. Außer den Drydens verhielt sich niemand, als wäre irgend etwas vorgefallen. »Zum Pleitegeier, wieso bin ich bloß mit 'm scheißverdammten Bengel gestraft, der zu doof ist, um 'n bißchen gutes Englisch zu sprechen?«
    »Halt den Mund, Thatcher.« Wenn in Susie Ärger hochkochte, klang ihre Stimme sonorer, als wäre sie zur Rundfunksprecherin geboren. »Willst du ihn denn nicht endlich einmal in Ruhe lassen?«
    »Du kannst ihn doch nicht ewig verzärteln. Er muß lernen, wie grausam die Welt ist, Liebling. Es ist doch unmöglich, daß er so dumm ist, wie er aussieht …«
    Der Junior konnte die Meinungsäußerungen seines Vaters nicht länger verkraften; wortlos sprang er vom Stuhl.
    »Wo willst du hin? Komm her, verfluchter Blödmann …!«
    Der Kleine stolperte, ehe er fünf Schritte getan hatte, fiel gegen einen der durch nichts rührbaren Wächter, die die Tafel umstanden. Er boxte den Mann in die Rippen und den Bauch, drosch ohne ersichtliche Wirkung mit den Fäusten auf ihn ein, dann rannte er aus dem Eßzimmer.
    »Mußt du in der Öffentlichkeit so mit ihm schelten?« fragte Susie; Ärger steigerte stets ihr Hungergefühl sowie ihre Eßgeschwindigkeit, und innerhalb weniger Augenblicke löffelte sie sich Fraß in den Mund wie eine Ausgehungerte. »Vor allen Leuten?«
    »Du erziehst den kleinen Mistkerl zum Weichling, Liebling«, warf Thatcher ihr vor. »Du wirst noch an meine Worte denken. Deinetwegen wird er bestimmt noch komischer, als er's sowieso schon ist, da kannst du 'ne Wette drauf abschließen …«
    »Na, jedenfalls wird er nicht so wie du …«
    »Was wäre denn daran so schlimm?«
    »Halt bloß den Rand, Thatcher, bitte halt die Klappe …«
    »Wenn er wenigstens normal reden könnte, wie ein normaler

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