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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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in dem Irrtum, es sei eine Neuigkeit – zu ihm geäußert, die Sonne ginge am Morgen auf.
    »Es kommt auf die Finessen an«, sagte er. »Was ich mir einbilde oder nicht, ist unwichtig, Schatzi …«
    »Schluß damit«, sagte Bernard, schwang sich von seinem Platz hoch und strebte zur Tür. Avi stand auf und verwehrte ihm den Weg. »Schlucken Sie eine Beruhigungspille, Thatcher. Fangen Sie mit Briefmarkensammeln an. Tun Sie irgend etwas, um auf andere Gedanken zu verfallen. Wir haben schon genug am Hals. Avi, schließen Sie die Tür auf.«
    Avi schaute Thatcher an, der zustimmte. »Wir machen sowieso gleich Feierabend mit der Besprechung. Ist ja fast Essenszeit. Wir dürfen uns nicht verspäten.«
    Lester zeigte sich über den Lauf der Dinge nicht betroffener als infolge der zuvorigen Geschehnisse. Während eines längeren Moments der Stille musterte Thatcher ihn stumm.
    »Ja, Mr. Dryden?«
    »Thatcher«, sagte Thatcher. »Rufen Sie mich bitte Thatcher. Was ist Ihre Meinung, Lester? Sie haben dazu keine so negative Einstellung wie Bernard, oder doch?«
    »Göttin schickt den Regenbogen«, antwortete Thatcher. »Gott das Feuer.«
    »So richtig raffe ich nicht, was das nun wieder bedeuten soll.«
    »Manchmal weckt eine Herausforderung Interesse«, sagte Lester. »Es ist am besten, nicht zu überreizen …«
    »Wer redet hier von Herausforderung?« fragte Thatcher. »Es war bloß so nebenbei 'n Gedanke …«
    »Sie werden ihn als Herausforderung empfinden«, sagte Lester. »Das heißt, wenn ich richtig verstehe, wie Sie's für sich geregelt haben. Für Ihre mögliche Reaktion möchte ich mich nicht verbürgen.«
    »So was weiß man nie, ehe man's versucht hat«, meinte Thatcher. »Weihnachten rückt näher. Ich mag Überraschungen.«
    »Genau wie Gott.«

N EU N
    Thatcher bat uns ins Wohnzimmer; wir blieben hinter ihm zurück, während er voraushastete, hofften so bei den anderen Gästen dem Eindruck vorzubeugen, wir gehörten irgendwie zu ihm. Sein Erscheinen erstickte augenblicklich unter den Anwesenden jede Konversation; er hob eine Hand, als er hineinschlenderte, gab durch Abwinken zu verstehen, daß sein Auftreten keine allgemeine Aufmerksamkeit erforderte, niemand sich gehemmt zu fühlen bräuchte. Als die Gäste ihre Gespräche wiederaufnahmen, wo sie sie unterbrochen hatten, konnte man Lautstärke und Tonfall einen deutlichen Unterschied anmerken; ein vorher nicht feststellbar gewesener Anklang falscher Nonchalance durchdrang das jetzt gedämpftere Geplauder, als schöbe sich in einer vollen U-Bahn ein Bettler durch den Mittelgang und hielte den Passagieren, die sich mit vorsätzlicher Hartnäckigkeit blind stellten, sein Plastikbecherchen unter die Nase.
    »Junge«, rief Thatcher, sobald er in einer Sofaecke seinen offenbar tief ins eigene Innenleben zurückgezogenen Sohn hocken sah, »steh auf und tu dich unter den Leuten um!«
    Der ›Kleine‹ schüttelte den Kopf; was er an geringfügiger Farbe im Gesicht aufwies, wich nun vollends aus seinen Wangen. Thatcher stapfte zu ihm, packte ihn an den Schultern und riß ihn hoch, als wäre er ein Kissen am verkehrten Platz. Er drängte seinen Sohn durchs Zimmer und schubste ihn mit dem Zartgefühl eines Holzfällers, der die Buttercremetorte mit der Axt teilt, in einen Kreis naher Bekannter. Kaum hatte Thatcher ihm den Rücken zugedreht, verdrückte sein Junior sich aus der Gruppe und flüchtete zurück ins Eckchen, fuhr sich mit den Händen über die Arme, wie um sich zu säubern, vielleicht aus Furcht, der kurze Kontakt mit Menschen aus Fleisch und Blut könnte an ihm Sporen der Unreinheit hinterlassen haben.
    »Er hat soviel Geld«, bemerkte Lester und gestand auf diese Weise unvermutet Bewunderung ein. »Er muß doch unheimlich viel Steuern zahlen …«
    »Thatcher und Susie sind Steuerbefreite«, sagte ich. »Die Dryco, der ganze Konzern, ist steuerbefreit. Ich bin's nicht, Bernard ist's nicht, auch sonst niemand, der für sie arbeitet …«
    »Wieso?«
    »Als Teil der Abmachung«, erklärte ich. »Letztes Jahr hat das Finanzamt wahrhaftig jemanden zur Buchprüfung geschickt. Man hatte sich dort einen Schnitzer erlaubt, wie Bernard sagen würde. Gus hat ihn hinausgeworfen.«
    »Was würde Bernard worüber sagen?« fragte Bernard, erschien plötzlich, in der Hand einen Drink, hinter uns, als träte er aus einer Wolke. Auf seinem Glas sah man einen Cartoon eines Truthahns mit historischem Pilgerhut. Ich konnte mich nicht entsinnen, wann ich Bernard das letzte Mal

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