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Ambient 02 - Heidern

Ambient 02 - Heidern

Titel: Ambient 02 - Heidern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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trinken gesehen hatte, aber mir wurde sofort bewußt, daß ich mich daran auch gar nicht erinnern mochte. »So etwas könnte sich selbst bei überschäumendster Phantasie kein Aas ausdenken. Gott muß den Menschen wirklich nach Seinem Ebenbild erschaffen haben, das ist für die Existenz jemandes wie Thatcher die einzige Entschuldigung.« Bernards Atem zufolge trank er nicht das erste Glas. Mir wäre es lieber gewesen, er hätte sich entfernt, bevor ich dazu kam, meine Frage zu stellen, aber er tat mir den Gefallen nicht. »Habe ich wieder einmal gegen Ihre Empfindsamkeit verstoßen?« wollte er wissen. »Ich bin aber auch ein Schlimmer … Oder was, meine Liebe?«
    »Hätte es Ihnen was ausgemacht, mich vorher zu informieren?«
    »Natürlich«, gab er zur Antwort. »Möglicherweise wäre die Sache geplatzt, hätten Sie davon gewußt. Ihnen fehlt das Pokerface, mit dem man an Türstehern vorbeigelangt.«
    »Ich hätte umkommen können.«
    »Hätten Sie. Sind Sie aber nicht. Gott ist uns allen gnädig, habe ich recht, oder nicht?«
    Seinem Mienenspiel ließ sich ablesen, was ihn beschäftigte; ich verkniff mir die Antwort, die mir bereits auf der Zunge lag. »Sie glauben ihm seine Verschwörungstheorien?« fragte ich. »Hinsichtlich Otsukas? Und Gus'?«
    »Es gibt Beweise, Joanna. Hätte er mir keine konkrete Basis für seine Ansichten zeigen können, hätte ich niemals mitgemacht. Meine Liebe, es ist einfach unprofessionell, das alles so persönlich zu nehmen …«
    »Ach, lecken Sie mich doch, Bernard.«
    Er hob sein Glas; trank einen großen Zug. »Nur im Traum«, sagte er, seine Stimme sank dabei herab.
    »Meint Thatcher ernst, was er geredet hat?« fragte Lester. Bernard betrachtete ihn, als sei er eine Spinne, die über seinen Schreibtisch kröche.
    »Kommt auf die Uhrzeit an«, antwortete Bernard. »Oder die Mondphase. Oder den Luftdruck. Über was geredet?«
    »Japan zu versenken.«
    »Konsultiert hat er mich deswegen nicht.«
    »Sind Sie der Auffassung, daß es sein Ernst ist?« fragte ich und beobachtete, wie Bernards Gesicht anstatt eines grimmigen einen kummervollen Ausdruck annahm, als ob es ihn enttäuschte, daß ich danach überhaupt fragen zu müssen glaubte.
    »Anscheinend. Es ist offensichtlich, daß er sich wegen der kleinen Gelben Teufel noch immer stark grämt. Aber das wird auch vorübergehen. Susie ausgenommen, verstreichen seine Launen wie Fürze im Wind.« Er streckte den Arm aus und zwickte Lester in die Backe. »Manche sogar schneller. Das wird vorbeigehen. Alles geht vorbei …«
    »Er sollt sich überlegen, was er verlangt, eh er fragt«, sagte Lester.
    »Ähnliches habe ich ihm ja auch geraten.« Bernard leerte den restlichen Drink, ließ die Eiswürfel gegen seine Lippen klirren, als wollte er sich mitten im Genuß einen Dämpfer verpassen. Das anschließende Stocken des Gesprächs mündete in ein tieferes Schweigen, als es allein durch eine dramaturgische Kunstpause erklärbar gewesen wäre. »Wieso stört es Sie? Egal was er von Ihnen will, tun können Sie es nicht.«
    »Bernard, hauen Sie ab«, sagte ich. »Wenn Sie sauer auf Thatcher sind, lassen Sie es nicht an uns aus. Ich weiß nicht, weshalb ich mich überhaupt mit Ihnen unterhalte, bedenkt man …«
    »Dann eben nicht.« Er drehte uns den Rücken zu und schwankte fort, wankte zur Bar; man merkte ihm an, daß das, was er später dazu zu sagen haben mußte, ihm schon jetzt Verlegenheit bereitete.
    »Bernard«, rief ich ihm nach. Er winkte mit der Hand, wie um mich zu verscheuchen. »Bernard! Verdammt noch mal …«
    Lester trat dicht neben mich. »Fürchtest du dich?« flüsterte er mir ins Ohr.
    »Nein«, log ich.
    »Ich auch nicht.«
    »Ist es unausweichlich?«
    Er nickte. Ich schob den Unterarm in Lesters Armbeuge, damit derjenige von uns, der die stärkste Müdigkeit verspürte, am anderen, wenn wir taumelten, eine Stütze fände. Mit so wenig Vorwarnung wie beim Betreten des Zimmers machte Thatcher sich erneut bemerkbar, indem er die Türflügel des Eßzimmers aufstieß und grölte.
    »Frohes Fest!«
    Man hatte den langen Eßtisch dermaßen mit Terrinen und Auflaufformen, Körben, Soßenschüsseln und Schalen beladen, daß man darunter das Spitzentischtuch kaum noch sehen konnte. Zwischen den Kerzenleuchtern wölbten sich die Deckel fünf silberner Servierplatten. Die Gäste rasten zu ihren Sitzen, als wären sie durch Androhen von Erschießung aus den Startlöchern gehetzt worden.
    »Nur nicht drängeln«, mahnte Thatcher,

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