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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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gepeilt, war Margot ungefähr einszwanzig, ein Achondroplast, eine Zwergin, eine geborene Ambient. Sie trug eine formlose Sportjacke mit abgerissenen Knöpfen und Ärmeln, und ein Trikothemd mit der Aufschrift ELVIS STARB FÜR JEMANDES SÜNDEN ABER NICHT MEINE. Ihre über den Knöcheln abgeschnittene Hose sah aus, als wäre sie einem aufgedunsenen Leichnam vom Körper geschnitten worden.
    »Halt deinen Zwerg in Zaum, Enid. Die Leute werden reden.«
    »Wahrheit in lieblich kristallenen Tönen«, sagte Margot. Enid gab mir eine ungelutschte Flasche. Ich füllte meinen Schwenker und trank.
    »Prost«, sagte ich.
    »Auf den Buckel geschissen«, sagte sie.
    »Was ist mit Verrollen?« fragte ich Margot.
    »Verrollen ohne grollen«, sagte sie. Sie hatte einen einszwanzig langen Stockdegen, den sie als Wanderstab benutzte. An einem Handgelenk trug sie ein rosafarbenes Lederarmband, das mit Rasierklingen besetzt war. Ihr schwarzes Haar war kurzgeschnitten, nur nicht vorn, wo es ihr in langen Strähnen ins Gesicht hing. Vor kurzem hatte sie sich die Zähne spitz zugefeilt. Ich hatte nichts gegen Margot, aber sie konnte in ihrer Ausdrucksweise zu mir übermäßig freimütig sein. »Als wir Katzen fort gewesen«, sagte sie, »hat Schweinchen brav gespielt?«
    »Brav«, sagte ich. »Und erwartet jetzt einen hübschen ruhigen Abend in casa.«
    »Lieber den Bauch vollschlagen als Schmerzen ertragen, wie?« sagte sie, hüpfte vom Sofa und stampfte mir mit der Ferse auf die Zehen. »Pech gehabt.«
    »Such dir einen von deiner Größe«, sagte ich.
    Margot legte sich den Stock quer über die Schultern, die stummeligen Arme ausgestreckt. »Die heiße Luft aus deinem Hirnkasten könnte ein Segel bis zum Bersten füllen.«
    »In Spiritus würdest du reizend aussehen«, sagte ich.
    »Sieh an, er macht Pläne.«
    »Zankt euch nicht, meine Lieben«, sagte Enid. »Was müßt ihr euch so grausam tribulieren, alle beide?«
    »Sei ruhig«, sagte Margot lächelnd. »Für ungestüme Kinder ist alles Spiel.«
    »Gute Besserung«, sagte ich und machte es mir auf dem Sofa bequem. Enid stand auf, Margot hinauszubegleiten.
    »Du willst von hinnen?« fragte sie.
    »Hinzustreichen über die weite Brandung«, sagte Margot.
    »Viel Spaß«, murmelte ich.
    »Du wirst wieder des Weges kommen?«
    »Allweg, so oft es sich dazu schickt«, sagte Margot. »Alsdann, auf die versunkene Welt.«
    »Wie willst du gehen?« fragte Enid.
    »Mit Engelsflügeln«, sagte Margot, »mit Engelsfüßen.«
    Enid beugte sich nieder, sie zu küssen. Margot hob den Kopf in zärtlichem Gehorsam; ritzte Enids Wange mit ihren Rasierklingen. Meine Schwester erschauerte vor Wonne. »Schmusekätzchen«, flüsterte sie.
    »Kuschel«, gurrte Margot tief in der Kehle. Enid machte sich ans Aufsperren der Tür.
    »Adios«, sagte ich.
    »Bring deinen Haushalt in Ordnung, Rotarsch«, rief Margot mir zu und zerschlug mit ihrem Stock eine Lieblingsvase von mir. Sie schob sich durch die geöffnete Tür und war fort.
    »Bis morgen abend«, rief Enid durch den Hausflur. Nachdem sie zugesperrt hatte, kam sie zurück, nahm meine Hand und drückte sie fest.
    »Ein langer Tag?« fragte sie. »Du siehst müde aus.«
    »Bloß ein durchschnittlicher Tag«, sagte ich.
    Sie lachte, zündete sich eine weitere Zigarette an; außer den Ambienten rauchte niemand mehr, nicht einmal der Alte Mann. Die unberührbare Kaste der amerikanischen Raucher hatte sich niemals auf die amerikanischen Tabakproduzenten erstreckt; Tabakwaren konnten in Ländern, deren Gesundheitsvorsorge weniger gewissenhaft war, für viele nützliche Dinge eingetauscht werden. In den Vereinigten Staaten war der Tabakverkauf zwar wieder legalisiert, aber die nationale Gewohnheit war im Laufe der Jahre abgestorben. Noch immer gab es private Antitabakgruppen – ihre bevorzugte Methode zur Bekämpfung des Lasters war, daß sie, sobald sie einen Raucher sichteten, ihn mit Feuerzeugbenzin bespritzten und anzündeten –, aber ihre Vertreter verirrten sich nie in eine Zwielichtzone.
    »Was hast du mit dir angefangen?« fragte ich.
    »Nichts Verderbliches. Akkomodierte mich eine Zeitlang im Loch, während die Gruppe vorführte. Margot lockte mich fort. Wir spielten Bräute in den weichen Himmelsarmen. Wir umschlangen und züngelten, schamlos und ausschweifend.«
    »Also Freude über Freude.«
    Sie seufzte und lächelte.
    »Irgendwas im Fernsehen?« fragte ich.
    »Übervoll. Was du willst.«
    Wir hatten einen 1:25 Cinescope von Sony. Das Videogerät

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