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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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benutzten wir selten; es kam nicht oft vor, daß wir Geld für Filmkassetten erübrigen konnten, und diejenigen, die unten im Club benutzt wurden, paßten nicht. Ich nahm die Fernbedienung in die Hand. Mit Kabelanschluß empfingen wir neunzehn Kanäle. Enid hatte das Gerät auf einen der Videokanäle eingestellt, der gelegentlich Ambientgruppen spielen ließ. Ich probierte die Sender durch. ›I Love Lucy‹, Wiederholung. Ein Basketballspiel, Übertragung aus Hanoi. Devil Bat, ein alter Kinofilm. Variedade aus Kuba. ›Leave it to Beaver‹, Wiederholung. Sound of Music, ein Kinofilm; um Zeit für Werbeeinblendungen zu bekommen, waren alle Lieder herausgeschnitten worden. ›Zwielichtzone‹, Wiederholung. Nachrichtenprogramm aus Japan. ›Amos N' Andy‹, Wiederholung. Gesundheitsprogramm: ein Arzt erläuterte die Gefahren nicht notwendiger Amputationen. Godzilla gegen das Smog-Monster, ein Kinofilm. ›Dobie Gillis‹, Wiederholung. Bildstörung. ›Flitterwöchner‹, Wiederholung. Wettervorhersage.
    »Geh zurück zu Lucy«, sagte Enid. Wir saßen da, tranken und sahen zu. Fernsehfilme hatten alle drei Minuten Werbeeinblendungen, und so war es schwierig, den zerhackten Handlungsabläufen irgendeinen Sinn abzugewinnen, den sie vielleicht einmal gehabt hatten. Ich fand es immer beunruhigend, diese alten Produktionen zu sehen, selbst wenn sie für das neue System farbverschlüsselt (sie kriegten die Farbe nie richtig hin) und auf Digitalband übertragen waren. Ich bedauerte, daß ich keine größere Auswahl an Fernsehprogrammen hatte. Es gab sieben weitere Sonderkanäle, die Wirtschaftsnachrichten, Kunstprogramme, klassische Musik und Opernaufführungen, Ballett und moderne Tanzaufführungen zeigten, oder Naturfilme, graubärtige britische Komödien und Theateraufführungen. Nur Besitzer und haushälterische, anspruchsvolle Bourgeois hatten Geld genug, diese Kanäle zu empfangen. Die Drydens schalteten sie nie ein; wenn sie überhaupt fernsahen, dann den Gewaltkanal. Dieser war streng kontrolliert, um die leicht zu beeindruckenden Sprößlinge der Besitzer gegen Ideen zu Handlungen abzuschirmen, auf die sie selbst noch nicht gekommen waren. Pornokanäle gab es nicht mehr, ebensowenig die entsprechenden Magazine; nach den Gleichberechtigungsgesetzen begünstigte unsere Gesellschaft nicht mehr die Ausbeutung von Frauen gegenüber anderen, gleichermaßen verfügbaren Gruppen.
    »Was läßt deine Lider so tief sinken?« fragte Enid.
    »Nichts. Ich bin bloß müde.«
    »Unergiebig, wenn du kleine Augen bekommst«, sagte sie, den Blick wieder auf den Bildschirm gerichtet. Sie drückte wiederholt die Farbkorrekturtaste, um den trüben Nebel der sich verändernden Farben zu genießen. »Erspart dir Lippensalbe. Aber wenn du überläufst, wird es kein Halten geben, so sauer es dich ankommen mag.«
    »Keine Bange.«
    »Brennt der Schmerz allzu scharf?«
    »Was nicht verletzt ist, schmerzt nicht.«
    »Hat etwas deine Vanitäten verletzt?«
    »Sein Wartezimmer sollte gesprengt werden. Es wäre beinahe passiert.«
    »Wurde la puta durchlöchert?«
    »Avalon, vielleicht?«
    »Wer sonst?«
    »Nicht einmal angekratzt. Die Haut makellos.«
    »Leckerbissen für die Drachensaat«, sagte Enid.
    »Vieles beschäftigte sie«, sagte ich.
    »Nicht sie allein. Du bist ihrer warmen Witterung verfallen.«
    »Vielleicht werden wir eine Weile verreisen.«
    »Um wieder des Weges zu kommen?« fragte sie. Ich antwortete nicht gleich. »Seamus?«
    »Natürlich.«
    »Du watest in Geheimnissen, Bruderherz. Dürfen wir hören?«
    »Später.«
    »Sag, was dich so aus der Fassung bringt. Deine Träume?«
    »Sie sind nicht schlimmer als sonst.«
    »Der Alpdruck sitzt dir im Nacken, aber das Morgenlicht sieht dich unversehrt und frisch betaut. Was sonst drückt dich nieder?«
    »Nichts.«
    Enid schaltete den Fernseher aus; sie war beunruhigt. »Dann Gute Nacht und ins Bett, wenn Worte versagen«, sagte sie. »Schwester Sorge ruft laut. Schlaf in linden Träumen.«
    Enid und ich verstanden einander vollkommen; die Ambientsprache wurde, wie alles andere, zur Gewohnheit. Um sich noch mehr abzusondern, hatten die Ambienten frühzeitig ihren eigenen Jargon entwickelt: ein wenig Spanglisch, altertümliche Wendungen, übernommenen und selbstentwickelten Slang. Wahrscheinlich verdankte die Ambientsprache ihr Entstehen nicht nur der sozialen Isolation dieser Randgruppe, sondern auch dem Umstand, daß Schönheit nur im Wort und nicht im Bild wirklich gefunden

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