Ambient 03 - Ambient
Augen fixierten mich wieder; Vogel und Schlange, wie Enid sich ausgedrückt hätte. »Es schien mir sicherer, zu warten.«
»Das denke ich mir. Ich hätte still bleiben müssen. Das mag ich nicht«, sagte sie, dann fügte sie stirnrunzelnd hinzu: »Hast du die Uhr richtig gestellt?«
»Selbstverständlich.«
Sie lächelte; ein schlauer Ausdruck kam in ihre Züge. Sie strich mit den Fingerspitzen über mein Kinn.
»Unrasiert«, sagte sie. »Hübsch.«
Wäre die Trennscheibe zum Fahrer undurchsichtig gewesen, hätte ich sie gleich auf die Sitzbank gelegt.
»Wann sollte der Herr Papa allein dort drinnen sein?«
»Um eins«, sagte ich. »Laut Mister Dryden.«
»Und auf diese Zeit hast du die Uhr gestellt?«
»Ja. Er wollte schon früher ins Arbeitszimmer.«
»Ich weiß; um diese Zeit müßten sie beide dort sein, nicht?«
Ich sah auf meine Armbanduhr; es war kurz nach zwölf. Ihre Streitereien dauerten nie länger als zwei Stunden.
»Mh-hm«, sagte ich. »Bestimmt streiten sie noch.«
Sie nahm mein Handgelenk, sah auf die Uhr und drückte die Ablesung. Dann reckte sie die Arme über den Kopf und dehnte sich.
»Sie sind fertig«, sagte sie.
»Glaube ich nicht«, sagte ich. »Wahrscheinlich noch gut für eine weitere halbe Stunde oder so …«
»Nicht mehr.«
Eine Bekanntmachungstafel der Armee, im Vorbeifahren kaum zu lesen, befahl allen für den Fall, daß es nichts mehr geben würde, alles wiederzuverwerten. Jemand, wahrscheinlich Armeejungen, die sich zu Tode langweilten, hatte mit einer Panzerfaust durch die Mitte der Bekanntmachungstafel gefeuert. Ich sah Avalon an.
»Wie meinst du das?« fragte ich sie.
»Sie ging vor fünf Minuten los«, sagte sie, schloß die Augen und legte den Kopf an meine Schulter.
»Ich stellte den Zeitzünder auf dreizehn Uhr.«
»Ich stellte ihn auf zwölf vor«, sagte sie.
»Wann?«
»Nachdem du wieder schlafen gegangen warst. Heute früh.«
»Ich schloß die Tür zum Arbeitszimmer.«
»Ich kenne den Code seit einem Jahr«, sagte sie. »Der Herr Papa hatte mich nachmittags gern bei sich, manchmal. Wir trafen uns dort.«
Wie besorgt ich in diesem Augenblick auch war, ich wußte, daß es noch lange nicht besorgt genug war.
»Warum?« fragte ich mit trockenem Mund.
»Du siehst komisch aus«, sagte sie. »Fühlst du dich nicht gut?«
»Ich fühlte mich gut. Warum, Avalon?«
»Weil es auf diese Weise besser ausgehen wird«, sagte sie. »Wenn es klappt. Ich denke, es wird.«
»Warum?« rief ich. Butch beäugte uns wieder, verlangsamte jedoch nicht. »Avalon, sag mir, daß du es nicht getan hast. Bitte!«
»Ich hab's getan«, sagte sie. »Sieh mal, sie sind beide verrückt, und Söhnchen wäre strahlend sauber daraus hervorgegangen …«
»Ist dir nicht klar, wieviel Ärger das geben wird?«
»Du konntest es nicht so gut sehen wie ich, weil du zu lange für ihn gearbeitet hast. Du denkst immer, er sei dein Kumpel, ganz gleich, was für ein großer Lump er war. Du bist blind dafür. Er war ein verdammter Psycho, Schamlos. Du würdest es nicht mal zugeben, wenn du es könntest.«
»Das war er nicht«, sagte ich. »Nicht so sehr …«
»Er war. Eines Tages hätte er sich gegen uns gewandt. Denk an meine Worte!«
»Ich glaube das nicht«, sagte ich. »Wirklich nicht.«
»Du solltest es lieber tun«, versetzte sie. »Sieh mal, er hat mich die ganze Zeit beschissen, genauso wie dich.«
»Das sollte sich gerade ändern.«
»Du gibst es zu«, sagte sie. »Meinst du wirklich, er hätte getan, was er dir als seine Absicht weisgemacht hat? Du glaubtest wirklich daran?«
»Er hätte mich in dieser Sache nicht belogen.«
»Er wollte, daß du die schmutzige Arbeit machst, und das war alles. Ich glaube zwar nicht, daß er dich deswegen später auf Null gebracht hätte, aber du kannst dich darauf verlassen, daß es dir nicht geholfen haben würde.«
»Was soll dabei Gutes herauskommen? Jetzt werden sie alle hinter uns her sein. Seine Leute und die des Alten Mannes.«
»Söhnchen hat keine Leute auf seiner Seite. Dich, mich und Jimmy. Diesen wieseläugigen Jake. Das ist es schon.«
»Aber er hätte die Leute des Alten Mannes von unserer Fährte ablenken können …«
»Niemand wäre darauf gekommen, daß er dahintersteckte?«
»Sie hätten nicht alles tun können. Wenn er tot ist, kann er weder bestätigen noch leugnen. Also werden sie jetzt jemanden aussuchen müssen. Wer kommt am gelegensten?«
»Männer glauben nie, daß Proxies für solche Sachen klug genug
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