Ambient 03 - Ambient
unter den Umständen keine passende Erwiderung einfallen. Sie wälzte sich auf den Rücken und blickte auf. »Warum ist ein Tuch an die Decke genagelt?« fragte sie.
»Um das Loch zu verdecken.«
»Und wovon ist das Loch gekommen?«
»Da ist unsere Gesellschaft durchgefallen.«
Sie nickte, als ob es ihr einleuchtete. Sie starrte Enids Kopfpolster aus Schaumstoff an, sagte aber nichts. Ich zog mich aus und fand es sehr seltsam, mich vor einer Frau zu entkleiden, die nicht meine Schwester war. Avalon hob den Kopf und musterte mich von oben bis unten.
»So viele Narben hab ich meiner Lebtag nicht gesehen«, sagte sie.
»Ich komme herum.«
»Wovon ist die lange, die von der Schulter abwärts geht?«
»Bajonett.«
»Und die große in der Schulter?«
»Beil.«
»Und die da?« fragte sie und zeigte.
»Zigarette.«
»Du rauchst nicht.«
»Aber Enid raucht.«
Ich stieg zu ihr ins Bett. »Nervös?« fragte sie.
»Ja.«
Wir waren, wie mir schien, stundenlang beschäftigt. Avalon hatte eine lebhafte Phantasie und schwelgte in der Perversion.
»Gefällt es dir?« fragte sie nach längerer Ruhepause. Bisher waren wir nicht gestört worden. Ich nickte.
»Du zitterst. Ist dir kalt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Angst?«
Ich antwortete nicht.
»War das dein erstes Mal?«
»Nein«, sagte ich, und fügte hinzu: »So ungefähr.«
»So ungefähr?« Sie lachte. »Mit wem vorher? Nutten?«
»Nein.«
»Mädchen aus der Nachbarschaft?
»So ungefähr. Ich habe nie viel …«
»Magst du keine Mädchen?«
»Ich war immer so beschäftigt. Meine Arbeit …«
»Jetzt hörst du dich wie Söhnchen an. Ist das nicht besser als Arbeit?«
»Viel besser.«
»Du schwitzt wie ein Schwein«, sagte sie und lachte, rollte gegen mich, drückte ihr Gesicht an meine Brust, biß mir in die Brustwarze. »Das mag ich.«
»Das freut mich.« Ich fuhr mit den Fingerspitzen in das kurze Haar ihrer Schädelbasis. »Du kannst dein Haar jetzt wachsen lassen.«
»Mir gefällt es so.«
»Wie du meinst. Ich wollte nicht …«
»Ich glaube, ich liebe dich wirklich«, sagte sie sehr leise. »Das ist irgendwie neu.«
»Ich liebe dich«, sagte ich. »Ich liebe dich so sehr.«
»Angst?«
»Ja«, sagte ich.
»Sind sie noch draußen, Schami?« fragte sie. »Geh nachschauen.«
Ich stand auf und trat ans Fenster. Es war spät; Ruben und Lester schleiften die nicht Beanspruchten fort. »Ja«, sagte ich. »Vielleicht sollte ich morgen versuchen, Kontakt aufzunehmen.«
»Wir sollten lieber wach bleiben«, sagte sie. »Vielleicht müssen wir die Flitze machen.«
»Wenn sie uns nicht zuerst umbringen«, sagte ich.
»Das werden sie nicht«, sagte sie. »Komm wieder her. Ich muß was tun, sonst schlafe ich ein.«
»Ich bin müde«, sagte ich, als ich zu ihr ins Bett stieg. Sie betrachtete mich einen Augenblick lang, das Gesicht mondhell. Sie wälzte mich auf den Rücken und stieg an Bord, scheuerte sich an mir, und ihre kräftigen Schenkel umklammerten meine Hüften, als sie sich über mich beugte.
»Notzüchtige mich«, sagte sie und legte mir die Hände um die Kehle.
9
W IR LAGEN WIE M ESSER , K LINGE AN K LINGE ; der Schlaf rief, und wir antworteten. Irgendwann hatte ich einen neuen Traum: Avalon und ich schwebten durch das Loch im Dach zum Himmel auf, anmutig emporgetragen; ein Hubschrauber knatterte in der Nähe und zerstörte unsere Apotheose. Ich erwachte; brachte die Augen auf. Während der Nacht war die Serena gekommen. Güsse schwarzen Wassers tauften uns. Ich gewann trockenen Boden; Avalon wurde von der Flut hinausgespült.
»O'Malley!« rief sie, als sie auf dem Fußboden landete. Platschend kam sie an der Wand zur Ruhe.
»Aufstehen, waschen, Zähneputzen«, sagte ich.
»Die Kerle noch da draußen?« fragte sie.
»Frisch und spielbereit«, sagte ich. Durch die Fensterscheibe beobachtete ich den regennassen Glanz ihres dunklen Wagens.
»Wie viele sind es?«
»Drei«, sagte ich und stieg in die Hose.
»Erkennst du sie?«
»Innere Sicherheit, vielleicht. Oder Heimatarmee. Wahrscheinlich von Stadtmitte. Es ist ein großer Wagen.«
»Wie groß sind sie?«
»Sehr.«
»Hilf mir die Hose anziehen, Schamlos!« sagte sie am Boden liegend, die Beine in der Luft. Es dauerte nur ein paar Minuten, bis wir die Jeans über ihre Hüften gezogen hatten. »Gib mir die Zange!« sagte sie. »In meiner Tasche.« Ich gab ihr die Zange, bevor sie blauer als ihre Hose werden konnte. Sie holte tief Atem, zog den Bauch ein, faßte mit der
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