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Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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vorsichtig.«
    Wir kletterten hinunter, Avalon voran.
    »Was für eine Straße ist dies?« rief sie zu mir herauf.
    »Avenue B.«
    »Dieses Ding ist so wacklig«, sagte sie, beide Hände am Geländer.
    »Sei froh, daß es da ist«, rief ich zurück. Feuerleitern waren seit langem nicht mehr erforderlich, weil durch Gerichtsbeschluß festgestellt worden war, daß die Vorschrift zu ihrer Anbringung eine Beeinträchtigung der Rechte von Hauseigentümern sei; wenn alte Feuerleitern abgebrochen und als Schrott verkauft wurden, ersetzte man sie nicht mehr. Bei jedem unserer Schritte lösten sich rostige Verankerungsbolzen aus der bröckelnden Wand. »Spring aus dem Weg, wenn sie herunterkommt!« Die Feuerleiter wackelte wie ein Lämmerschwanz; ein metallisch dröhnendes Geräusch wie von einem anfliegenden Bienenschwarm wurde lauter. Als wir die Plattform im ersten Stock erreichten, entdeckten wir, daß jemand die Klappleiter zum Erdboden ausgeborgt hatte. Die Feuerleiter blieb in Bewegung nachdem wir haltgemacht hatten, und aus ihren rüttelnden Gebeinen drang ein unangenehmes Knirschen.
    »Spring!« sagte ich.
    »Wohin?«
    »Müll«, sagte ich und sprang über das Geländer; Avalon war nicht weit hinter mir. Wir schlugen auf den Berg von Müllsäcken, den wir anvisiert hatten.
    »Alles in Ordnung?« fragte sie und richtete sich auf.
    »Ja«, sagte ich. »Wir brauchen einen Plan …«
    »Gib acht!« schrie sie und warf sich auf mich; wir purzelten wieder zwischen die Müllsäcke. In meiner Verwirrung staunte ich über die Wildheit ihrer Leidenschaft; dann zeigte sich ihr wahres Motiv. Die Feuerleiter, geschwächt durch unsere Benutzung, löste sich von der Hauswand und nahm die Hälfte der Fassade mit sich; ich fühlte mich an Videos von kalbenden Gletschern an den Küsten der Antarktis erinnert. Schreie unschuldiger Opfer durchstießen das Prasseln von Ziegelsteinen, das Kreischen zerreißenden Metalls. Wir wurden nur mit Ziegelstaub überschüttet; eine Weile blieben wir liegen und versuchten uns vom Schreck zu erholen.
    »Immer noch alles in Ordnung?« fragte sie.
    »Gerade noch«, sagte ich. »Und wie geht's dir?«
    »Großartig«, antwortete sie hustend und klopfte sich Staub aus den Kleidern. »Verflucht großartig. Du wolltest etwas sagen?«
    »Einen Plan«, wiederholte ich, während ich mich aufrappelte. Unverletzte Passanten waren am Werk, den aus Ziegeln und verbogenem Eisen ragenden Füßen die Schuhe auszuziehen.
    »Was?«
    »Wir müssen uns nonchalant verhalten«, sagte ich.
    »Nonchalant«, sagte sie und zeigte die Straße entlang. Der schwarze Redstar bog eben um die Ecke der Avenue B und fädelte sich in den dichten Verkehr der schmalen Straße ein.
    »Mir nach!« sagte ich und nahm sie bei der Hand. Ein alter Mann mit einem Sack voll Schokoladenriegel wollte uns einen verkaufen, als wir vorbeigingen. Wir traten an einen fahrbaren Verkaufsstand; eine Frau dort verkaufte Klumpen von Zuckerwatte und Eis in Kokosmilch.
    »Ist das unsere einzige Wahl?«
    »Wir müssen uns behelfen. Komm!« Wir schoben uns zwischen einen Obstkarren und einen Straßenhändler, der geldbörsengroße Taschenrechner feilhielt.
    »Nonchalant aussehen«, sagte Avalon. Der Redstar kam näher.
    »Natürlich«, sagte ich, »aber bereit sein für all …«
    Die aus dem Redstar gefeuerte Granate traf den Verkaufswagen der Frau; Eis und Kokosmilch fielen vom Himmel wie Hagel.
    »Los!« schrie ich, und wir rannten die Straße hinauf; einen Block weiter hatte ein Taxi angehalten, um Leute über die Straße zu lassen. Sofort sah ich, was zu tun war, und nickte Avalon zu; sie hatte es bereits gesehen. Sie rannte zur Beifahrerseite, sprang hinein. Ich riß die Tür auf der Fahrerseite auf.
    »Tut mir leid«, sagte ich, als ich ihn mit einem Ruck herauszog und auf die Straße warf. Ein weiteres Geschoß zischte vorüber und traf ein Restaurant auf der anderen Seite. Ich war überzeugt, daß es sich um getarnte Angehörige der Heimatarmee handeln mußte, weil sie so schlecht zielten. Als ich hinter dem Lenkrad saß, fiel mir ein, daß es ein Problem geben mochte, aber ich hatte keine Zeit, mich deswegen zu sorgen. Das Taxi war ein altertümlicher umgebauter Mustang mit etwas, das ich für eine Gangschaltung und Kupplung hielt – Autofahren war etwas, das ich in meiner alltäglichen Arbeit nie hatte tun müssen.
    »Fahr los, Schami!« rief Avalon. Ich dachte mir, daß wir uns in Bewegung setzen würden, wenn ich die Pedale wie bei einem Fahrrad

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