Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambient 03 - Ambient

Ambient 03 - Ambient

Titel: Ambient 03 - Ambient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
Vom Netzwerk:
erwartet hatte.
    »Wir fahren zum Landsitz«, sagte ich, bereit für den Fall, daß er diskutieren wollte; er ließ es sein. Statt dessen öffnete er die Tür auf der Beifahrerseite und ging um den Wagen.
    »Der große Zampano wird mächtig sauer sein, wenn er merkt, daß seine Räder fort sind.«
    »Wird er nicht«, sagte ich, als ich mich setzte. »Er ist tot.«
    Jimmy ließ sich langsam in den Wagen herab und schob sich hinter das Lenkrad. Ich schloß die Tür. Er sah mich aus seinen schwarzen Augen an.
    »Von deiner Hand?«
    »Von eigener Hand«, sagte ich. Er schaltete die Zündung ein; wir fuhren davon.
    »Du sitzt jetzt schön drin, Mann«, sagte er. »Warum hat er so eine Nummer abgezogen?«
    »Er hatte Angst.«
    »Begründet?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    Wir fuhren dahin; verließen die Stadtmitte, passierten die obere Westseite und ließen die häßlichen Turmhäuser um den Columbus Circle hinter uns. So fixiert war ich auf das, was ich zu tun hatte, daß Jimmys Wünsche oder Gedanken mir nicht gleich in den Sinn kamen. »Endlich rief Gott das Höllenfeuer auf leichtgläubige Tölpel herab«, sagte Jimmy lächelnd, die Tonpfeife in einer Hand. »Große Bäume fallen und machen wenig Lärm. Was hast du nun vor, O'Malley? Ausprobieren, ob dein Charme noch wirkt?«
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Ich muß mir unterwegs was ausdenken.«
    Als wir den Broadway hinauffuhren, kam Wind auf; Schneegestöber fiel über die Stadt her. Bräunlichweiße Klumpen Pappschnee prasselten auf den Wagen herab; Jimmy schaltete Scheibenwischer und Scheibenwaschanlage ein. Das war nicht natürlicher Schnee – solcher fiel in New York kaum noch –, sondern sogenannter abweichender Niederschlag; menschliche Abfallprodukte von den ausgetrockneten Rieselfeldern, wo der Faulschlamm der Klärwerke meterhoch deponiert war, wurden oft von Windböen emporgerissen und gingen auf die Stadt nieder. La Mierda, nannten die Ambienten es. Mit zunehmender Wasserknappheit wurden diese Schneefälle häufiger, doch dauerten die Schauer niemals länger als ein paar Minuten.
    »Wo ist unsere süße Schwester?« fragte Jimmy. Rauchkräusel stiegen aus seinem Mundwinkel.
    »Ich denke, sie ist im Landsitz«, sagte ich. »Ich hoffe es.«
    »Und nun fährst du hin, ihr den Hof zu machen?«
    »Ja«, sagte ich. Ich hielt den Revolver für den Fall, daß er sich als nicht so ruhig erweisen sollte, wie er zu sein schien, auf ihn gerichtet. »Sie verschwand. Ich dachte, er hätte sie entführt. Er hatte nicht.«
    »Du meinst, sie bleibt ganz, da oben?« fragte er. »Sie war mächtig aufgeregt, als ich sie zuletzt sah. Wehrte sich bei jedem Schritt.«
    »Das hoffe ich. Ich bin nicht mal sicher, was überhaupt vorgeht.«
    »Nun«, sagte er, »wie ich es sehe, hast du einen Vogel aus dem Busch genommen. Ein zweiter zwitschert noch in den Bäumen. Niemand vermißt ihn. Du sorgst dich zuviel, Mann. Drydens hier, Drydens dort, Drydens fort.«
    »Es wird ihnen ein leichtes sein, mir das anzuhängen.«
    »Wer hat dich denn gesehen, Mann? Renaldo?«
    »Ja«, sagte ich, »aber er ist auch tot.«
    »Nicht von eigener Hand«, sagte Jimmy; ich schüttelte den Kopf. »Du bist ein schlimmerer Bullenbeißer als du weißt. Schlimmer als sie ahnen. Eiskalt.«
    Der Broadway erstreckte sich seidenglatt vor uns; wir segelten gleichmäßig dahin, ohne Unterbrechung, zogen auf unserer 1A-Fahrspur keine Aufmerksamkeit auf uns. Vor dem Verlassen des Büros hatte ich Renaldo in einen der Wandschränke gesteckt und Mister Dryden wie für einen Mittagsschlaf auf das Sofa gelegt. Er hatte für den Nachmittag keine Termine notiert, und ich hoffte, daß keine Besucher kommen würden.
    Jimmy passierte einen Armeetransport.
    »Du denkst, sie wurde überrascht?«
    »Vielleicht«, sagte ich. »Ich wünschte, ich wüßte es.«
    »Das können wir noch nicht sagen, O'Malley. Alles zu seiner Zeit:«
    Unweit der Kreuzung 96. blockierten Armeefahrzeuge den stadteinwärts fahrenden Verkehr; Truppen marschierten auf den Fluß zu, als hätten sie vor, in geschlossener Formation nach Jersey hinüberzuschwimmen. Fünf riesige Croton-Tanklaster mit Wasser für bevorzugte Stadtviertel umfuhren die Sperre, indem sie den Mittelstreifen mit allem, was darauf war, plattwalzten. Wir kamen an den stacheldrahtbewehrten Mauern der Columbia-Universität vorbei. Als wir in West Harlem einfuhren, bemerkten wir, daß die Bewacher der Straßensperre neue Raketen erhalten hatten; der am vergangenen Freitag entgleiste

Weitere Kostenlose Bücher