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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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Zubringer.«
    Über Manhattan patinierte der Dunst den Sepiahimmel. Einige Vertrautheiten stachen durch die Ockerwolken: das Empire State und das Chrysler Building, Drycos alte Spitze. Zitronengelblicher Morgenschein bronzierte ihre Ziegel und verwandelte den Stein in Gold. Die Brücke der 59sten Straße schälte sich geradewärts aus den Schichten, mit blutrotem und unscharfem Eisengespinst, erschien wie ein urtümliches Relikt aus einem Inselsumpf.
    »Nebel geht auf die Augen, egal wie dickes Glas«, sagte John und kurbelte sein Fenster hoch. Meine Linsen stachen mich, bis meine Augen scheinbar aus ihren Höhlen springen wollten. Der Schmerz vertrieb fast meine Übelkeit, wofür ich dankbar war. Ich hatte nichts gegessen, um meinen Magen zu beruhigen. »Achte auf die Farbe«, sagte John. »Toxische Beimengung. Abgaswolke vielleicht.«
    »Erbsensuppe«, murmelte ich, als ich mich an eine Formulierung meiner Mutter erinnerte.
    »Suppe?« wiederholte er. Es überraschte, daß er mein Murmeln über dem Metallsummen der Straße gehört hatte, das unsere rotierenden Reifen sangen. »Hungrig, Iz? Ich habe Obst …«
    Ich schüttelte den Kopf, staunte über die Myriaden unversuchter Pfade zum Mißverständnis, die wir sicherlich hier entdecken würden. Als ich ihr Manhattan betrachtete, kamen mir wieder die Warnungen unserer Trainer in den Sinn: daß wir bei Gedankenlosigkeit ihre Welt nicht als separate Welt sehen würden, sondern eher innerhalb unserer eigenen, wie sich mehrfach erwiesen hatte, und daß heimtückische Nostalgie grundlos für einen Ort ermöglicht wurde, der nie unsere Handlungen beeinflußt hatte. Doch selbst während sich die seltsamen Spitzen vor mir klärten, wußte ich, daß ich meine Wünsche über das Bild der Stadt legte, wie ich es auch mit meinem Mann tat; bewies erneut, daß Wahrnehmung hemmungslos die Wirklichkeit ignorierte. Nachdem wir die Brücke hinter uns ließen, polterten wir über das Kopfsteinpflaster der 59sten Straße und fuhren gemeinsam mit Tausenden anderer Wagen in einen klippenwandigen Strom ein.
    »Vorsicht jetzt, Iz«, sagte John. »Achtung ist erforderlich, bis wir landwärts geraten.«
    »Wir sind schon versunken«, sagte ich, als ich unmittelbar eine primäre Problematik begriff. Meine Couture war hier so unhaut, daß es lächerlich wirkte. Es erwies sich, daß die Frauen dieser Welt sich in nichts gewandeten, was meinem Futteralkleid glich; statt dessen trugen sie kniestreifende Rocke, die durch gestärkte Unterröcke aufgebauscht wurden, die mehr auf Offenbarung als auf Verhüllung angelegt waren. Frauen spazierten vorbei, deren Absätze höher als meine waren, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie mit solchen Hufen laufen konnten.
    »Was ist? Was besorgt?« fragte John.
    »Mit deinem Geschäftsanzug wirst du durchgehen«, sagte ich. »Aber ich niemals. Sieh dir die Mädchen an.«
    John schwenkte seinen Blick von Bordstein zu Bordstein, während wir die Park Avenue überquerten. »Keine kann's mit dir aufnehmen«, sagte er und beruhigte mich, wenn auch nur momentlang. Die Beobachtung, wie die Frauen kämpften, ihre Röcke nicht im Wind hochfliegen zu lassen, machte mich schadenfroh; nichts versklavte mich, am wenigsten die Mode. Wir bogen linkswärts auf die Fünfte; wir hatten das Rockefeller Center erreicht, als ich downtownwärts bemerkte, daß die Schnellstraße, die wir gesehen hatten, Manhattan oberirdisch durchkreuzte.
    »Gottheit …«
    »Iz«, sagte John, als er sah, was ich sah. »Offensichtliche Falschvoraussage. Gibt es einen Alternativplan?« Das Gebäude der öffentlichen Bibliothek stand noch in unserer Welt, wenn auch in Ruinen; hier waren es und das Grundstück verschwunden, um zwanzig Meter hohen Betonträgern Platz zu machen, die die Schnellstraße westwärts trugen. Eine autoverstopfte Auffahrt entlang den Säulen erhob sich aus Richtung Madison zur Sechsten. Auf einem grünen, an der Überführung befestigten Hinweisschild stand: Al Smith Midcross Fernstraße / Nach Long Island / Interstates I-11 / West Side Hwy.
    »Halt dich rechts. Dort, Telefonzellen«, sagte ich, als ich hölzerne Schuppen mit Fenstern entlang dem nördlichen Gehweg der 42sten Straße entdeckte. »Fahr hinüber. Ich werde Infos anzapfen.«
    John parkte den Wagen am Bordstein, wo es offensichtlich legal war. Als ich ausstieg und Luft inhalierte, die gleichzeitig sauberer und dreckiger als die unseres New York war, hustete ich mich blind wegen der chemischen Reizung meiner

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