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Ambient 05 - Elvissey

Ambient 05 - Elvissey

Titel: Ambient 05 - Elvissey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Womack
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»Das hier ist schlimmer als Science-fiction.«
    »Weil es wirklich ist«, sagte ich. »Schwer zu erklären, schwerer zu verstehen.«
    »Du bist verrückter als er, Isabel«, sagte E stirnrunzelnd. »Wenn ihr alle Dero seid, dann werdet ihr mir natürlich alle möglichen Geschichten erzählen.«
    »Wir sind keine Dero, Elvis …«
    »Vielleicht wollt ihr es nicht zugeben«, sagte er. »Ich werde mir das nicht mehr anhören.«
    »Es ist notwendig, daß du es tust …«
    »Ach Scheiße, ich muß überhaupt nichts tun!« sagte er; wäre er nicht so in Käbel und Schläuche geschirrt gewesen, hätte ich seinen Ärger vielleicht ernster genommen. Aus meiner Tasche zog ich eine Disk, die ich an diesem Nachmittag von der Forschung erhalten hatte, die wir während unseres Trainings immer wieder gehört hatten.
    »Ich habe hier etwas zum Anhören«, sagte ich, schob die Disk in meinen Player und schaltete ihn ein.«
    »Ich falle nicht darauf rein«, sagte er. »Du bist genauso wie die anderen. Lügst mir die Hucke voll, sobald du nur …«
    Er brach seine Tirade ab, als er seine Stimme durch den Raum durchdringend plärren hörte.
     
    »I wish I was – in the land a cotton – «
     
    Ich näherte mich ihm und hielt ihm die Diskhülle vor die Augen, damit er sich selbst sah, wie er vielleicht eines Tages sein würde. Das Coverfoto war vom Elvis dieser Welt, kostümiert und vierzig, viele Kilos schwerer und seinem Ende nahe. E's Lippen verzogen sich; drückten eher Gefühle der Wut oder der Angst aus. »So wie er ist, so wirst du sein«, sagte ich.
    »Nein«, sagte er. »Schalt es ab. Geh weg …«
    »Dies ist die Stimme deines Gegenstücks, wie sie war«, sagte ich, ohne meine Situation zu begreifen, in einem Raum gleichzeitig mit dem einstigen und dem künftigen King gefangen zu sein. »So wie du bald klingen wirst.«
    »Ich mag das nicht …«
    »Du wirst.«
    Er versuchte seine Arme aus den Fesseln zu befreien, um seine Ohren vor dem Song zu verschließen. »Laß mich in Ruhe …« Ich faßte seine Handgelenke, um ihn ruhigzuhalten; er kämpfte, war jedoch zu schwach, um meinen Griff zu brechen. »Bitte schalt es aus. Schalt es …«
    »Glaubst du mir jetzt?« fragte ich, als er ermüdete und seinen Kampf aufgab; Schweiß perlte auf seiner Oberlippe und sickerte in seinen Gesichtsverband. »Er war hier. Du bist hier. Zwei und doch derselbe. Zwei Welten. Zwei von dir.«
    »Wo bin ich«, jammerte er und begann zu weinen. »Ich will nach Hause …«
    »Dies ist jetzt dein Zuhause«, sagte ich. »Antworte. Glaubst du mir?«
    »Ja«, sagte er; er weinte. »Bitte nicht …«
    »Wirst du zuhören, was ich dir jetzt sage?« fragte ich. »Wirst du?«
    »Tu mir nicht weh. Ich wollte ihr doch nicht weh tun«, sagte er unerwartet und undeutlich zwischen seinen Schluchzern. »Sie hat nicht aufgehört, an mir herumzunörgeln.«
    »Töten ist niemals gerechtfertigt«, sagte ich. »Leuten weh zu tun ist niemals gerechtfertigt.«
    »Tu mir nicht weh, Isabel. Bitte tu mir nicht weh …«
    »Das werde ich nicht«, sagte ich und schaltete den Player ab; nahm seine feuchte Hand in meine, hielt sie und stand an seiner Bettseite. Ich wußte, daß ich ihn brechen mußte, aber ich wußte nicht, warum. Machte es mich zufrieden, ihm Leid zuzufügen? Hatte ich Rache oder Freude bei meiner Handlung empfunden? Ich suchte selten nach Antworten, da ich fürchtete, was ich finden könnte; eine Frage führte zu weiteren, bis schließlich nichts mehr sicher war. Hatte Johns Geisteshaltung meine mehr affektiert als wir zugeben konnten, oder war es, wie Judy glaubte, daß mein Stein schon immer härter als seiner gewesen war?
    E beruhigte sich schließlich; was ich von seinem Gesicht sah, schien wie das eines Jungen, der er immerhin noch war. »Mein großer Onkel ist kalt, Isabel«, sagte er. »Deck ihn für mich zu.«
    »Dein was?« Ich examinierte seine zugedeckte Gestalt und war unsicher, was freiliegen könnte; dann sah ich seine Stummelzehen unter dem Lakenende hervorragen. »Großer Onkel?« fragte ich; er bestätigte. Ich zog sein Bettzeug über seine Füße und dachte daran, daß ich es vorgezogen hätte, seinen großen Zeh mit einem Namensetikett zu versehen. Als ich mir zuvieler unpassender Gefühle bewußt wurde, drängte ich sie allesamt beiseite.
    »Danke, Isabel«, sagte er. »Kommst du mich morgen besuchen?«
    »Ja«, sagte ich, während ich im Geist den Begriff wiederholte. »Morgen. Schlaf jetzt.«
     
    Als ich an jenem Abend nach Hause

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