Ambler by Ambler
wenn ich so bald wie möglich nach England zurückführe. Sie stimmten mir zu. Kein Problem. Sie seien es gewohnt, Seeleute zu repatriieren. Ich könne mit der nächsten Gruppe abreisen. Sie würden meinen Namen auf die Liste setzen und mir Bescheid sagen, wann ich mich wo einfinden sollte.
Zwei Wochen später ging die Reise los, auf der ›Georgic‹, mit einer sehr gemischten Fracht und nur sechzehn anderen Passagieren. Louise und Molly brachten mich bis zum Pier, wurden aber beide nicht in die Nähe des Schiffs gelassen. Die amerikanischen Hafenpolizisten bedauerten, aber ich sei der einzige mit einem Passierschein. Das würde doch einleuchten, oder? Wenn ich an Bord ginge, dann sei ich doch bestimmt kein Saboteur, oder? Es war ein bedrückender Abschied.
Das einzige, was mich bei meinem Eintreffen in England tröstete, war die Nachricht, daß meine Bücher noch immer den Dreh heraushatten, genau im unpassendsten Moment herauszukommen. Die Angst reist mit war vom ›Evening Standard‹ im Juli 1940 zum Buch des Monats erklärt worden, in jenem Monat also, in dem die Dritte Französische Republik aufhörte zu existieren und in dem die Schlacht um England begann.
9
D
er Offizier im Einstellungsbüro wollte mir wirklich helfen, aber ich war ein etwas schwieriger Fall.
»Sie schreiben also«, sagte er nachdenklich und starrte auf das Formular, das ich ausgefüllt hatte. »Bei einer Versicherungsfirma etwa? Oder vielleicht in einer Notarskanzlei?«
»Nein. Ich schreibe Bücher, Romane, Detektivgeschichten hauptsächlich.« Ich hatte festgestellt, daß bei Leuten, die nicht viel lasen, Detektivgeschichten in höherem Ansehen standen als Thriller.
Er kratzte sich den Kopf. Er litt an Schuppen sowie Ratlosigkeit. »Aber was können Sie denn nun wirklich?« fragte er betrübt.
»Na ja, wie gesagt, ich kann schießen und mit einem Sturmgewehr umgehen.«
»An die Nummer, die Sie in der Territorialarmee hatten, können Sie sich aber nicht mehr erinnern.«
»Es ist über zehn Jahre her, aber es gibt doch bestimmt ein Archiv …«
»Tja, ohne Nummer brauchen wir im Archiv des Kriegsministeriums gar nicht erst nachzufragen. Es würde Monate dauern, und sie sind furchtbar überlastet. Wir versuchend nochmal, ja? Können Sie zufälligerweise Auto fahren?«
»Ja.«
»Ah. Darf ich mal Ihren Führerschein sehen?«
Ein paar Wochen später war ich in der Armee. Zuerst wurde ich einem in Blackpool stationierten Kraftfahrerausbildungsregiment der Artillerie zugeteilt. Unser Lehrgang bestand aus etwa zweihundert Leuten. Die meisten hatten im Zivilleben als Last- oder Lieferwagenfahrer gearbeitet, doch es gab auch ein paar Londoner Taxichauffeure. Zu den Amateuren zählten, neben mir, ein Kellner vom ›Savoy‹, der davon träumte, einmal Rolls-Royce-Chauffeur zu werden, und ein Kranführer, der aufgrund eines Schreibfehlers bei uns gelandet war. Er hatte noch nie ein Fahrzeug gefahren, außer auf kurzen Strecken den Pferdewagen seines Vaters. Was uns verband, war, daß wir alle aus London kamen und irgendwie erleichtert waren, von dort wegzukommen. Die Erleichterung war natürlich stark durchsetzt mit schuldbewußten Gedanken an die Lieben, die wir zu Hause zurückgelassen hatten. Aber in Blackpool war es sicherer, und die Luft war auch besser. Als die nächtlichen Luftangriffe einsetzten, hatte ich in den frühen Morgenstunden, wenn die Sirenen das Entwarnungssignal gaben, immer ein leichtes Gefühl von Erhabenheit verspürt. Wir hatten überlebt, zumindest einige von uns, und würden uns einem neuen Tag zuwenden. Als die Nächte immer länger wurden und die Decken und Tragbahren in unserem verdunkelten, giftgassicheren Erste-Hilfe-Posten immer muffiger rochen, hatte ich angefangen, mich auf die Armee zu freuen.
Es gab aber noch einen anderen Grund, mich schuldig zu fühlen, einen speziellen und recht ungewöhnlichen Grund.
Ein Jahr zuvor hatte jemand, den ich von der Werbebranche her kannte, mir ein Exemplar eines soeben veröffentlichten Erstlingsromans zugeschickt. Beigefügt war die freudige Mitteilung, mein Erfolg als Thrillerautor habe ihn dazu inspiriert, in meine Fußstapfen zu treten, und ich möge ihm doch bitte einen literarischen Agenten empfehlen. Ich hatte ihm Curtis Brown empfohlen, allerdings ohne zuvor das Buch, das er mir geschickt hatte, zu lesen. Als ich es schließlich las, bekam ich einen Schock. Es war wortwörtlich von Ungewöhnliche Gefahr abgeschrieben, wobei die Namen der Personen und andere
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