Ambler by Ambler
Auf einem amerikanischen Dampfer bestimmt nicht, wie Louise unmißverständlich erklärte. Es müßte schon ein französisches oder ein italienisches Schiff sein.
Unterdessen schliefen wir im ›Mont Thabor‹, aßen im ›Belle Aurore‹ und ›Chez Pierre‹ und trafen uns mit unseren Freunden in der Bar des ›Ritz‹. In der Nacht des 24 . August saßen wir in einer der kleineren Bars oberhalb der Place Blanche, als uns die niederschmetternde Nachricht erreichte, daß das stalinistische Rußland und Hitlerdeutschland einen Nichtangriffspakt unterzeichnet hätten.
Wir erhielten die Nachricht von einem Zeitungsjungen, der die Frühausgaben austrug. Er war seine Zeitungen im Nu los. Es war erstaunlich. Jeder in dieser Bar wußte sofort, was die Nachricht bedeutete. Alle anderen Unterzeichnungsfeierlichkeiten von Nichtangriffspakten waren fromme Zeremonien ohne wirkliche Bedeutung gewesen. Das hier war das Signal, daß ein ganz Europa erfassender Krieg bald ausbrechen würde, vielleicht sogar sehr bald. Vielleicht in ein paar Tagen.
Von Frankreich nach England zu kommen wurde bald schwierig. Bei der BEA gab es keine freien Plätze mehr. Wahrscheinlich waren ihre Electras allesamt schon zu Hudsons umgebaut worden. Vor ihrer Abreise mußte Louise noch Arbeiten zu Ende bringen, und sie hatte viel mehr zu erledigen als ich. Betty und Yves waren auf See, verheiratet und unterwegs nach Gouadeloupe. Win hatte ihre Kunden wissen lassen, daß sie nicht abreisen würde. Sie sagte uns, daß jeder Deutsche, der seine Nase in der Rue Marbeuf zur Tür hereinstecke, mit Bingo rechnen müsse.* Schließlich fuhren Louise und ich über Dieppe-Newhaven nach England. Wir standen die meiste Zeit.
Die Maske des Dimitrios war gerade herausgekommen und durfte sich rühmen, von der ›Daily Mail‹ zum Buch des Monats gewählt zu werden – genau in der Woche, in der England, Deutschland und Frankreich den Krieg erklärten.
Louise und ich heirateten Anfang Oktober auf dem Standesamt Croydon.
Als meine vordringlichste Aufgabe betrachtete ich es, meinen Teil zu den sogenannten Kriegsanstrengungen beizutragen. Da meine Zeit bei der lrb schon länger zurück lag, konnte ich nicht mehr so tun, als sei ich ein geübter Soldat. Ich absolvierte einen Erste-Hilfe-Kurs und wurde Sanitäter in einer lokalen Luftschutzeinheit, die in einer evakuierten Volksschule untergebracht war. Das einzige Opfer, dem wir uns in dieser Phase zu widmen hatten, war ein älterer Betrunkener, der bei Verdunkelung hingefallen war und sich ein Bein gebrochen hatte. Mir kam der Gedanke, daß ich über meine Agentur, die meine geschäftlichen Interessen so gut vertrat, vielleicht etwas Interessanteres vermittelt bekommen könnte. Man tat sein Bestes. Spencer Curtis Brown, der damals an der Spitze des Unternehmens stand, stellte mich einem Fregattenkapitän im Marineministerium vor, der irgendwie mit der Aufstellung von Küstenpatrouillenbooten zu tun hatte.
Der Fregattenkapitän und ich verstanden uns prächtig. Er schilderte mir die Vorzüge der Boote – Rumpf aus Holz, keine Probleme mit Magnetminen – und die Nachteile der Arbeit. »Sie wären ein Leutnant der rnvr (Marinefreiwilligenreserve), mehr ist nicht drin«, sagte er. »Keine Beförderung. Aber ein paar Ideen für ein Buch könnten sich dabei schon ergeben, was? Ach ja, noch etwas. In welchem Club sind Sie eigentlich?«
»Club?«
»Vielleicht haben Sie ja bloß angegeben. Spencer meinte, Sie seien ein erfahrener Sportsegler. Ich brauche bloß einen Namen als Referenz.«
Das war das Ende dieses Gesprächs. Der Luftwaffenmensch, ein Oberstleutnant mit silbernem Haar und Ordensbändern von 1914 – 18 , war nicht einmal höflich.
»Wie war doch gleich Ihr Alter? Dreißig? Schauen Sie, mein Freund. Für Veteranen von 14 – 18 wie mich gibt es immerhin noch Verwendung, weil wir ein bißchen Ahnung von Flugzeugen haben. Wir können unsere Zeit nicht damit verplempern, solche alten Heinis wie Sie auszubilden, nicht mal als Bordkanoniere. Zur Zeit können wir nicht mal all die Jungs nehmen, die wir haben. Warum warten Sie nicht, bis Ihre Altersgruppe aufgerufen wird? Die Armee wird Sie eines Tages schon noch kriegen, keine Bange!«
»Bleibt also nur noch das Informationsministerium«, sagte Spencer, als ich ihm Bericht erstattete.
»Werbebroschüren schreiben? Danke bestens!«
Leonard Cutts bat mich, für ein vom Roten Kreuz herausgegebenes Buch ( The Queen ’ s Book of the Red Cross) eine
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