Ambler by Ambler
angefangen habe, herumzuschreien. Als er ihr alles erklären wollte, habe sie ihn geschlagen und lauthals nach der Polizei gerufen. Und dann habe er bloß versucht, sie aufzuhalten. Herrje!
Man sagte ihm, er solle sich anständig herrichten und im Dienstzimmer der Militärpolizei auf weitere Anweisungen warten. Dann sah der cic -Mann den Dolmetscher an: »Na schön, worum geht’s?«
Der Dolmetscher wand sich vor Verlegenheit und bat dann den Polizisten, die Frau in ein anderes Zimmer zu bringen. Doch selbst, nachdem sie gegangen war, mußte man ihm die Geschichte aus der Nase ziehen.
Die Frau sei eine von zwei Schwestern, die beide in einem Restaurant arbeiteten und gemeinsam ein Haus bewohnten. Ihre Männer seien irgendwo im Nahen Osten als italienische Soldaten in Kriegsgefangenschaft. Die Schwestern hätten schwere Zeiten durchgemacht, und alle hätten es verstanden. Als die deutschen Soldaten da waren, junge, saubere Burschen, sei es, wohlgemerkt ganz allmählich, Usus geworden, die Schwestern nachts in ihrem Haus zu besuchen. Aber nur nachts, verstehen Sie? Es seien anständige Frauen. Sie seien noch immer anständige Frauen.
»Tagsüber.«
»Jederzeit. Aber nachts, gelegentlich, wie soll man das wissen.«
»Also dieser Soldat hatte sich das richtige Haus, aber die falsche Uhrzeit ausgesucht? Das war sein einziger Fehler?«
»Na ja …« Der Dolmetscher kämpfte ein letztes Mal mit seinem bürgerlichen Stolz und seinem Wunsch, um ein offenes Wort herumzukommen. Dann seufzte er und nickte. »Falsch war nur, daß er bei hellichtem Tage hingegangen ist.«
Dem Soldaten wurde befohlen, umgehend zu seiner Einheit zurückzukehren und seinem Kumpel einzuschärfen, daß dieses Haus in Zukunft off limits sei. Die Klägerin bekam eine aufrichtige Entschuldigung und die Versicherung, daß der Missetäter streng bestraft würde. Sie hatte ein derbes Gesicht, einen schlechten Teint und eine von der Arbeit im Restaurant wohlgenährte Figur, doch nun, da sie beide Schuhe wieder angezogen hatte, strahlte sie Würde aus. Wir alle erhoben uns, und der cic -Mann machte sogar eine kleine Verbeugung, als sie aus dem Zimmer ging.
Guy de Maupassant hätte die Geschichte womöglich interessant gefunden, aber für die Abteilung Psychologische Kriegsführung war es offensichtlich kein Thema von Bedeutung. Der cic -Mann schlug vor, wir sollten ihn auf einer seiner Suchmissionen begleiten.
»Suche wonach?«
»Antifaschisten hauptsächlich.« Er lächelte. »Wenn wir einen guten, vernünftigen Antifaschisten auftreiben können, würden wir ihn wahrscheinlich zum Bürgermeister ernennen, selbst wenn er Kommunist wäre, und zur Feier des Tages eine Pressekonferenz geben.«
»Und was suchen Sie sonst noch?«
»In den Bergorten suchen wir gestohlene PX-Waren*. Zigaretten gehen lastwagenweise verloren.«
Also schlossen wir uns seiner Suchmission an. Während die cic -Leute in den armseligen Häusern unter den Dielen auf Fleischkonservendepots stießen, nahmen wir den Priester aufs Korn. Der cic -Mann hatte uns vorgewarnt. »Auf die Frage, wer am Ort ein bekannter Antifaschist ist, bekommt man immer die gleiche ungefährliche Antwort – der Priester.« Auch wir bekamen diese Antwort.
Das Empfangszimmer im Pfarrhaus verfügte über einen Marmorfußboden und in Gold und Scharlachrot gehaltene Gardinen. Es war bitter kalt. Wir saßen mit unserem Dolmetscher auf vergoldeten Stühlchen, die an der Wand aufgereiht waren, und bekamen süßlich-braunen Wein aus klebrigen Gläsern zu trinken. Der Priester hielt auf Italienisch eine leidenschaftliche Ansprache, wobei er den Fußboden als Bühne benutzte, auf und ab schritt und mit schneidenden Handbewegungen die Schandtaten des Mussolini-Regimes verdammte.
Wir hörten ihm, nicht gerade fasziniert, aber doch einigermaßen aufmerksam zu. Plötzlich gab es eine Ablenkung. Der Hund des Priesters, ein kleines, praktisch unbehaartes Tier, trottete, unbemerkt von seinem Herrn, herein, hockte sich in der Mitte des Zimmers auf den Marmorfußboden und verrichtete keck seine Notdurft. Dann trottete er, vom Priester noch immer nicht bemerkt, wieder hinaus. Daß ein so kleiner Hund einen derart großen, kompakten Haufen so schnell und so mühelos produzieren konnte, war schon erstaunlich.
Vermutlich hätte man dem Dolmetscher, einem amerikanischen Leutnant, irgendwann sagen können, er solle eingreifen, den Priester warnen. Aber niemand tat dergleichen. Wir saßen einfach da. Der Priester war mitten
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