Ambler by Ambler
ausgedacht hatte, in Algier ziemlich albern war und in Neapel absurd wäre. Er konnte nicht mehr tun, als uns zu ermutigen, sich auf das eigene Urteil zu verlassen. Er versuchte, mit allem, was er in Eisenhowers Stab im Hotel Saint-Georges an Einfluß geltend machen konnte, uns aus unserem Quartier in El Biar herauszuholen und in ein Flugzeug zu setzen. Unsere neuen Befehle lauteten, daß wir uns im Hauptquartier der Fünften Armee im italienischen Caserta bei einem Oberst Gillette melden sollten, dem die Fotosektion des Fernmeldekorps unterstand.
In Caserta trafen wir den Oberst und seine Offiziere in einem modernen Haus an, das dem deutschen Konsul gehört hatte und neben dem Palazzo lag, in dem das Hauptquartier der Fünften Armee untergebracht war. Allerdings wußten wir damals noch nicht, daß das Gebäude, wie so viele andere, die zuvor deutsche Truppen in Beschlag genommen hatten, vermint war. Ein Teil dieser Minen (jene, die mit Säurezündern ausgestattet waren) würde erst nach Monaten losgehen. Die Mine im Konsulat wurde schließlich von jemandem entdeckt, der auf der Suche nach einer verstopften Wasserleitung auch die Wandverkleidungen im Haus gründlich untersucht hatte. Es gelang, sie zu entschärfen.
Mit Oberst Gillette war es nicht ganz so einfach. Er war Berufssoldat, der bei Kriegsausbruch kurz vor der Pensionierung gestanden hatte. Die Versetzung zur Fünften Armee und die damit einhergehende Beförderung zum Oberst hatte er selbst betrieben. Er wußte, wie diese Armee funktionierte und hatte nicht die Absicht, irgendwelche Fehler zu machen. Seine Aufgabe bestand darin, Fotoausrüstung und -material anzufordern und an die unter seinem Kommando stehenden Leute (Standfotografen, Kraftfahrer, Kameramänner, Dolmetscher und ich weiß nicht, wer noch) auszugeben und die Resultate zwecks Entwicklung, Zensur und Verteilung durch die pr -Leute weiterzuleiten. Dank einer achtwöchigen Führung durch die Hollywood-Studios, die ihn auf seine Mission vorbereiten sollte, wußte er alles über das Filmemachen. Man stellt seine Kamera einfach hin, hält sie auf das, was man sehen will, und drückt den Knopf oder zieht den Hebel, wie auch immer. Er verstünde nichts von psychologischer Kriegsführung und wolle davon auch nichts verstehen. Von Hauptmann Huston wisse er nichts, außer, daß er gute Filme mache. Na, das war ja tröstlich. Sobald Filmausrüstung zur Verfügung stehe, könne Hauptmann Huston zu den vorderen Linien fahren und ein paar Dokumentaraufnahmen machen, und Hauptmann Ambler – schön, daß Sie hier sind, Herr Hauptmann! – könne sich dranhängen, wenn er Lust habe. Im Augenblick fehle es an Jeeps und Kameras und Filmmaterial. Wenn wir also weiter wollten als bis zum Offizierskasino im Palazzo, dann müßten wir uns schon mitnehmen lassen oder zu Fuß gehen. Hinter dem Palazzo befinde sich aber der Fahrzeugpark der Fünften Armee. Vielleicht würden wir einen der Privatjeeps von General Clark ausleihen wollen. Wir lächelten höflich über diesen kleinen Scherz. John wollte Oberst Gillette davon überzeugen, daß ein unter seiner Ägide produzierter guter Film auch ihm Anerkennung verschaffen würde. Es schien ein unmögliches Unterfangen zu sein. Oberst Gillette war nicht dumm. Ich glaube, am Ende willigte er bloß ein, weil John ihm auf den Wecker ging.
Die Epidemie, die die alliierten Armeen in Italien als erste heimsuchte, war Gelbsucht.* In dem kleinen Raum, der uns als Schlafzimmer diente, wurden noch zwei Feldbetten aufgestellt für kranke Offiziere, die man im Lazarett nicht mehr unterbringen konnte. Auch der Oberst schlief in unserem Zimmer, und auch er lag eng. Der vor Ort gebrannte Pfirsichschnaps, der nach Möbelpolitur roch, aber viel ekelhafter schmeckte, war bei jedermann, außer den Gelbsuchtpatienten, als Schlafmittel sehr beliebt. Er konnte freilich auch das Gegenteil bewirken. Einmal wachte ich frühmorgens auf und hörte, wie John dem Oberst die Feinheiten der Regieführung zu erklären versuchte.
»Also, Herr Oberst, was meinen Sie«, fragte er mit seiner salbungsvoll-professoralen Stimme, »wenn Sie entscheiden, wie eine Szene gedreht werden soll – wann nehmen Sie eine neue Einstellung und wann machen Sie einen Kameraschwenk? Was ist der Unterschied, hm?«
»Na ja, kommt drauf an.«
»Und ob. Ich werd Ihnen sagen, was der Unterschied ist. Also: wenn Sie eine besondere Beziehung zwischen zwei Personen oder zwischen Personen und einem Gegenstand verdeutlichen
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