Ambler by Ambler
in seiner Ansprache, gestikulierte ausholend und eindringlich, über unsere Köpfe hinweg, wie es schien, an ein Publikum gewandt, das hinter uns saß und viel zahlreicher war als wir. Er lief noch dreimal quer durch den Raum, ohne daß ein Malheur passierte. Doch dann, als er sich schwungvoll umdrehte, um abermals die Luft mit der Handfläche zu zerteilen, erwischte der Saum seiner Soutane schließlich den Haufen und verteilte ihn. Fast im selben Moment trat der Priester in eines der Fragmente.
Wir nippten an unserem süßen Wein und bemühten uns, nicht hinzusehen. Es war seine Nase, die dem Priester sagte, daß irgendetwas nicht stimmte. Ich bemerkte nun, daß er uns vier Uniformierte scharf anblickte, ehe er zu Boden sah und anfing, den Hund auszuschimpfen. Eine Haushälterin kam herbeigelaufen und machte sauber. Ein zweites Glas lehnten wir ab.
Draußen im Freien faßte der Dolmetscher für uns zusammen. »Völlig übergeschnappt. Na ja, kein Wunder. Wer hier ein Regierungsgegner ist und das auch noch zugibt, muß einfach verrückt sein. Nur der Priester kann sich sowas leisten. Er ist verrückt, aber er ist halt der Priester und er liest noch immer die Messe und nimmt noch immer die Beichte ab. Er ist kein Roter. Die Roten sind alle oben im Norden, hat er gesagt.«
»Warum war er denn gegen die Faschisten?«
»Hab ich auch nicht ganz verstanden. Er war Mussolinigegner, weil er mal Sozialist war, aber gegen die italienische Monarchie war er auch. Alles ein großes Durcheinander. Verrückt.«
Der cic -Suchtrupp hatte bloß Büchsenfleisch und Eiserne Rationen, keine Zigaretten. Alles lächelte, als wir den Ort verließen, ohne die Lebensmittel mitzunehmen.
In manchen Bergortschaften, in die wir kamen, gab es allerdings nichts zu lächeln.
John hatte in seinem Feldzug gegen Oberst Gillette, in dem er diesen davon überzeugen wollte, daß wir seiner Karriere im Fernmeldekorps nicht abträglich, sondern, ganz im Gegenteil, daß jeder gute Film, den wir machten, ihm zuträglich sein würde, einige Fortschritte erzielt. Aber dann mußte er doch Zugeständnisse machen. Aus dem Palazzo war zu erfahren, daß ein französisches Kolonialregiment aus Nordafrika (die Goum) zur Fünften Armee stoßen würde. General Mark Clark, unser Divisionskommandeur, hatte unmißverständlich kundgegeben, daß er dieses Ereignis publizistisch nutzen wolle. In der Fünften Armee seien bereits amerikanische, britische und polnische Soldaten. Nun kämen ein paar französische Elitesoldaten hinzu, richtige Killer, aber mit wohlerzogenen französischen Offizieren. Das sei doch eine hervorragende Story.
Im Zweiten Weltkrieg hat sich kein Truppenkommandeur so eifrig der Öffentlichkeitsarbeit gewidmet wie General Clark. Wenn er sagte, etwas sei eine hervorragende Story, dann war es das auch. Oberst Gillette war plötzlich willens, mit uns einen Handel abzuschließen. Wenn John die Goum-Story filmen würde, dann könne er die Kameras, Techniker und das Filmmaterial haben, die er für seinen Dokumentarfilm benötige.
John nahm das Angebot an. Wir verbrachten ein, zwei Tage bei den Goums und bereiteten uns dann darauf vor, unseren Auftrag für die Psychologische Kriegsführung zu erfüllen. Wir hatten uns inzwischen darüber verständigt, daß es am besten sei, unmittelbar nach dem Abzug des Feindes in eine kleine Ortschaft einzurücken und einen Film darüber zu drehen, was mit den Einwohnern als nächstes passieren würde. Um näher am Ort der Handlung zu sein, quartierten wir uns in einem Bauernhaus bei Venafro ein und machten die Sektion g2 (Abwehr) des Stabes mit uns und unserem Projekt bekannt.
Wir glaubten noch immer, an der Front einen Dokumentarfilm drehen zu können, ohne irgendwelche Szenen nachstellen oder anderweitig verfälschen zu müssen. Wir hatten noch nicht begriffen, daß wir Washington einzig und allein Verfälschungen zu liefern hatten, alles andere sowieso unmöglich war.
11
S
an Pietro lag mit dem Rücken zu den Bergen am Eingang des Liri-Tals und beherrschte die in nördlicher Richtung nach Cassino führende Landstraße. Von San Pietro aus konnten ein paar deutsche Abteilungen, die gut eingegraben waren und über reichlich Feuerkraft verfügten, Frontalangriffe von zahlenmäßig überlegenen Streitkräften der Alliierten immer wieder abwehren.
Von Süden her boten sich zwei Wege nach San Pietro an. Der eine war die von der Bergkuppe oberhalb Venafro hinunterführende Straße. Allerdings hatten deutsche
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