Ambler by Ambler
der ein Motorrad besaß, in Auseinandersetzungen mit südamerikanischen Banditen verwickelt war und überhaupt ein aufregendes Leben führte. Dieses besondere Interesse rührte daher, daß Tante Dot einen abenteuerlustigen Mann namens Wilkinson geheiratet hatte und mit ihm, der in der Bergarbeiterstadt Oruro die Eisenbahn verwaltete, ins bolivianische Hochland gegangen war. Eine Zeitlang begeisterte mich die südamerikanische Gesetzlosigkeit, die mir vielleicht aufregender erschien als das trübsinnige Zeug von Zane Grey. Es war ein kurzlebiger Enthusiasmus. Wir hatten Fotografien von Harry Wilkinson gesehen, auf denen er sehr große Ähnlichkeit mit dem gutaussehenden weißen Mann hatte, der auf dem Schutzumschlag von Edgar Wallaces Bones vom Strom abgebildet war. Als sie aber beide in ihrem Urlaub nach England kamen, sah er für meine Begriffe mehr wie der Richard Hannay von John Buchan aus. Das Enttäuschende war, daß er sich weder wie der eine noch wie der andere verhielt. statt dessen grinste er übers ganze Gesicht, schnipste immerzu mit den Fingern und redete jeden mit che an.
An einem Ferientag der Nachkriegszeit schleppte mich Tante Cis, die zwischen zwei Seereisen mal wieder zu Hause war, mit in die Druckerei des ›Truth‹ (der nicht mehr Labouchere gehörte), die Großvater Ambler bald auf Rente schicken sollte. Großvater schenkte mir etwas aus der Setzerei: meinen Namen, auf einer Monotype-Setzmaschine in Garamond 12 -Punkt gesetzt und mit Bindfaden zu einer Zeile zusammengebunden. Das war das letzte Mal, daß ich ihn gesehen habe. Nur wenige Wochen nach seiner Pensionierung hatte die Grippe auch ihn ums Leben gebracht. Keines seiner Gedichte ist erhalten. Seine privaten Witze waren oft weit hergeholt. Ich erinnere mich nur an einen. Den Tee, den wir tranken, nannte er immer »Bohee«. Als ich ihn nach dem Grund dafür fragte, bekam ich eine ausführliche Erklärung. Es sei ein chinesisches Lehnwort, das im achtzehnten Jahrhundert aufgekommen sei und »schwarzer Tee von bester Qualität« bedeutet habe und ein Jahrhundert später »schwarzer Tee von schlechtester Qualität« bedeutete. Er war überzeugt, daß die Chinesen selbst mit Bohee immer das minderwertige Zeug bezeichnet hatten. Es sei die natürliche Arroganz und Selbstgefälligkeit der weißen Kaufleute gewesen, die sie ursprünglich zu der Annahme geführt hatte, daß ehrerbietige Chinesen ihnen nur das Beste verkaufen würden. Ob ich wüßte, daß die Chinesen, wenn sie uns auslachten, immer hinter vorgehaltener Hand lachten? Kein Wunder, was? Hi, hi! Bohee! Pah!
Für Reg und Amy Ambrose und The Whatnots war 1921 ein Jahr des Alles-oder-Nichts. Er hatte sich schon längere Zeit überlegt, daß eine gute Show mit eigenem Stoff und einer gutgeführten Truppe, die auf Draht war und Vaudeville-Erfahrung hatte (er gebrauchte das Wort im amerikanischen Sinn), in London ein Bühnenhit sein könnte. Sie könnte wie eine traditionelle Revue sein, würde aber mit kleinerer und vielseitigerer Besetzung auftreten. The Whatnots sollten etwas wirklich Gutes bieten. Es war eine teure Angelegenheit. Schließlich brachte er die Show auf den Markt und finanzierte sie zugleich dadurch, daß er in Music-Halls im Westend eine Reihe von Voraufführungen veranstaltete.
Die Shows kamen zwar gut an und trugen sich auch finanziell, aber kein Intendant meldete Interesse an. Die Idee selbst war jedoch genau das Richtige gewesen. Die »Concert-Party« kam in jenem Jahr an das Londoner Theater, und zwar in Gestalt von ›The Co-Optimists‹, mit einer Besetzung, der Stanley Holloway und Melville Gideon angehörten, und stand jahrelang auf den Spielplänen. Für meinen Vater hatte der Erfolg der Show hauptsächlich mit den Songs von Melville Gideon zu tun. »So leicht und witzig«, sagte er, »so originell. Wir mit unserem Stoff hätten da nie mithalten können!« Wahrscheinlich hatte er recht.
Das war das Ende von The Whatnots und der Vorstellung, richtige Künstler zu sein. Die Entscheidung für eine Laufbahn war schließlich gefallen. Reg Ambrose war ad acta gelegt worden. A. P. (Reg) Ambler kündigte bei Silvertown und wurde Werbedirektor bei einer dieser alten, aber wagemutigen Firmen, die sich plötzlich anschickte, »Elektroartikel jeglicher Art« für das britische Empire herzustellen. Das war indes nur der erste Schritt in der angestrebten Richtung. Kurze Zeit später war er in das Londoner Büro einer amerikanischen Werbeagentur eingetreten, die im
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