Ambler by Ambler
zeigen, daß sie die Pfoten von unseren Sachen lassen und sich in acht nehmen sollten.«
Den Geschichten von Onkel Sidney glaubte ich ebensowenig wie denjenigen von Onkel Frank, doch mir gefiel das (auf der letzten Silbe betonte) Wort Haydarpaschá, und ich schlug im Lexikon nach. Es stellte sich heraus, daß der Ort am Bosporusufer auf der anderen Seite von Konstantinopel lag, in der Nähe von Skutari und dem Krankenhaus von Florence Nightingale aus der Zeit des Krimkriegs.
In der Schule lasen wir die Essays von Addison, Steele und Lamb, um zu lernen, wie man Englisch schrieb, und Miltons Ein Maskenspiel, aufgeführt 1634 in Schloß Ludlow , weil Exemplare einer Schulausgabe wohl gerade vorhanden waren. Der einzige französische Prosatext, den wir lasen, war Le Roi des Montagnes , gleichfalls vorhanden. Noch immer gab es kriegsbedingte Engpässe. Zu Hause brauchte ich mich über Büchermangel nicht zu beklagen. Wer in den Augen meines Vaters ein gebildeter Mensch war, den bat er, mir seine alten Schulbücher zu überlassen. Mehrere Leute taten ihm den Gefallen. Ich erinnere mich besonders gut an ein Paket von Henry Hewitt, jenem bekannten Schauspieler, dessen Frau während des Kriegs als Pianistin aufgetreten war. Er war in Highgate zur Schule gegangen und hatte es dort offensichtlich genossen. Greens Kurze Geschichte des englischen Volks hatte er am Rand mit meisterhaft respektlosen Zeichnungen der großen Männer versehen, die im Text daneben erwähnt wurden. Unter seinen Büchern befand sich auch Skeats Etymological Dictionary , das für mich wichtig werden sollte. Von einem anderen Wohltäter bekam ich ein schon etwas zerfleddertes Exemplar von Newths Inorganic Chemistry . Auch dieses Buch wurde mir sehr vertraut.
Sonntags las ich den ›Sunday Pictorial‹ und entdeckte die Nelson-Lee-Bibliothek . Ich hatte die Hefte bündelweise, ausgeliehen von einem Jungen, dessen Vater sie zu seinem eigenen Vergnügen kaufte. Den meisten Vätern gefiel damals das ›Boys’ Own Paper‹, und man konnte verstehen, warum. Es war unkompliziert und harmlos. Mir gefielen die Nelson-Lee-Stories. Wie aus einem ehemaligen Privatdetektiv ein Präfekt am St. Frank wird und wie aus seinem früheren Assistenten und Vertrauten Nipper einer seiner Schüler wird, das waren Fragen, die mich eigentlich nicht interessierten. St. Dominic würde mit beiden nichts zu schaffen haben. Stalky & Co. hätten sich aus gesellschaftlichen Erwägungen da herausgehalten. Selbst Greyfriars hätte gekniffen. St. Frank war tatsächlich ein sehr merkwürdiger Ort. Oft herrschte Belagerungszustand (eine Art Streik), ausgelöst meistens von lächerlichen, stockschwingenden, lateinversessenen Leuteschindern, die glaubten, daß Disziplin sich am besten durchsetzen lasse, wenn die Disziplinierten nichts zu melden hätten. In Wirklichkeit war St. Frank eine Schule für Delinquenten jeglichen Alters, eine Art vornehmer Knast, für den Semestergebühren zu entrichten waren und in dem Nelson Lee und Nipper auf anständiges Betragen achteten und das praktizierten, was man heute »Krisenmanagement« nennen würde. An St. Frank führten sich die Jungs immer furchtbar schlimm auf und kamen immer ungestraft davon. Die Schüler hatten ihre eigene heimliche Justiz. Die Rache, die zuweilen an den verrückten Lehrern genommen wurde, war manchmal komisch, oft aber grausam. Die Abschlußprüfung wurde nie erwähnt. Doch niemand an St. Frank machte sich irgendwelche Sorgen. Niemand hatte schlechte Träume von einstürzenden Tunneldecken oder vom Schlachthaus in Lee Green. Die Berichte über Massaker von Bolschewisten, Weißrussen und Angloindern, die ich in den Zeitungen las, bereiteten niemand schlaflose Nächte. Möglicherweise wurden an St. Frank keine Zeitungen gelesen, oder falls doch, dann machte sich niemand groß Gedanken über das, was kurdische Truppen mit ihren Bajonetten armenischen Frauen angetan hatten. Vielleicht waren Greueltaten in den Lehrplänen der besten Internate nicht vorgesehen, vielleicht hatte Nipper gesagt, daß alles bloß Quatsch war. Wer konnte das schon wissen. St. Frank war möglicherweise ein Horrorinternat (und die Nelson-Lee-Bibliothek womöglich Schund), aber es ließ das rührselige St. Dominic wie eine Schule aussehen, an der jener andere Eric in Tränen ausgebrochen wäre.
Natürlich ist jede Suche nach Helden mit Enttäuschungen verbunden. Wiederholte Male las ich Motor Scout , ein Buch von Guy Boothby. Es handelte von einem Jungen,
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