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Ambler by Ambler

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Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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der ich auch Dieb wurde.
    Die Kosten unserer Chemiestudien waren kontinuierlich gestiegen. Mr. Sims subventionierte zwar unser Forschungsprogramm, doch selbst seine Großzügigkeit hatte Grenzen. Wir waren ehrgeizig geworden. Die anorganische Chemie hatten wir durchgearbeitet. Nun rief die große Welt der organischen Kohlenwasserstoffe. Geschmack fanden wir auch an quantitativer Analyse und Präzisionsinstrumenten, die wir selber nicht herstellen konnten, nicht einmal auf Sims’ kostbarer Drehbank. Wir beschäftigten uns auch, wenngleich unabhängig voneinander, mit der Amateurfunkerei. Ich besaß einen alten Funkersender, den Großvater Andrews auf dem Farringdon Road Market aus ehemaligen Armeebeständen erworben und mir geschenkt hatte und den ich ohne Genehmigung betrieb. Ich besorgte mir auch die Bestandteile eines Doppelröhrenempfängers, mit dem ich sowohl kdka Pittsburgh als auch 2 mt , den Marconi-Sender in Writtle, zu empfangen hoffte. Mr. Sims hatte sich ein fertiges Gerät angeschafft, mein Vater indes glaubte, daß man gute Musik unmöglich über Kopfhörer hören konnte. Wenn ich mir dieses Gequake anhören wollte, müßte ich mir schon eine eigene Anlage bauen. Er erlaubte mir jedoch, hinten im Garten einen Antennenmast aufzustellen. Er bestand aus vier Bambusstangen von drei Metern Länge, deren Enden mittels Eisenkrampen miteinander verbunden waren, die aber nicht ausreichend verstrebt waren, um lange Zeit aufrecht zu stehen. Bei kräftigem Wind stürzte alles ein. In seinen besten Zeiten sah der Mast wie eine riesige, gebogene Angel mit einer verhedderten Leine aus. Bei schönem Wetter aber konnte er eine Antenne halten. Das eigentliche Problem war der Empfänger.
    All das trug sich in meiner Fliehendes-Kinn-Phase zu.
    Schon länger hatte ich nach einer zuverlässigen Methode gesucht, wie man eine Schnellanalyse von Charakter und Persönlichkeit entwickeln könne. Eine Zeitlang hatte ich angenommen, daß Lambroso die Antwort sei, empfand sein Beharren auf der Theorie der körperlichen Merkmale jedoch als einschränkend. Wie konnte ich meine Überzeugung, daß Männer, die zu Hause Fahrradspangen tragen, nicht vertrauenswürdig sind, theoretisch formulieren? Ich wußte, woher ich meine Überzeugung hatte. Ein Versicherungsvertreter namens Harry Thorpe, der glaubte, kleinen Jungen immer einen Streich spielen zu müssen, hatte mir einmal mit einer Spielzeugpistole mitten ins Gesicht geschossen, wobei mein rechtes Auge von einem Funken verletzt wurde. Er jedenfalls hat seine Fahrradspangen nie, aber auch gar nie abgenommen. Wer achtete schon auf seine Ohrläppchen! Es waren diese Fahrradspangen und sein einfältiges Grinsen, das ihn als gefährlich kenntlich machte. Dann wechselte ich zur Phrenologie über. Dort spielten Ohrläppchen keine Rolle. Man konnte mit sozialen Merkmalen herumhantieren, mit handfesten Dingen wie Kinderliebe, Streben nach Anerkennung, Liebesfähigkeit und mit kuriosen Dingen wie Erhabenheit. Der Haken dabei war bloß, daß der Sitz beispielsweise von Entschlußkraft, Eigendünkel und Verehrung sich in einigen Köpfen an derselben Stelle befand. Ehe ich ein oder zwei Jahre später Bekanntschaft mit Jung machte, nahm ich eine Art modifizierten Lombroso-Standpunkt ein. Dank sorgfältiger, über einen langen Zeitraum hinweg angestellter Beobachtungen und dank der Tatsache, daß ich mich hartnäckig weigerte, irgendwelche Beweise zu akzeptieren, die nicht in meine Theorie paßten, gelangte ich zu der Überzeugung, daß alle Menschen mit außergewöhnlichen Talenten der Art, die ich am meisten bewunderte, ein fliehendes Kinn hatten.
    Das erste bemerkenswerte Kinn, das mir außerhalb der Familie Waters auffiel (das Profil einiger Familienmitglieder könnte mich durchaus auf diese Kinn-Idee gebracht haben), gehörte einem erfolgreichen Erfinder und Hersteller von Zeitschaltern, dem wir in den Ferien begegneten. Um Eindruck auf ihn zu machen, tat ich so, als sei ich im Begriff, den Nonius zu erfinden, und spielte überzeugend den Bescheidenen. Er gratulierte mir und erwähnte beiläufig, daß die Idee keineswegs neu sei. Er erzählte mir einiges darüber, wie man Ingenieur wird. Ich sollte zusehen, an einem der naturwissenschaftlichen Institute der Londoner Universität wie »City« oder »Guilds« anzukommen. Sicher hatte er recht. Ich versuchte, ein noch fliehenderes Kinn zu bekommen und hatte, dank der unfreiwilligen Hilfe unseres entsetzlichen Zahnarztes, auch beinahe Erfolg.
    Es

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