Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambler by Ambler

Ambler by Ambler

Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
Vom Netzwerk:
von den weltweit tätigen Firmenvertretern nur noch als von »diesen total begriffsstutzigen Scheiß-Ignoranten« sprach. Mit diesen und ähnlichen Kraftausdrücken hatte er schon so oft um sich geworfen, daß schließlich offiziell Meldung erstattet wurde. Man hatte ihn dann aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen. Er sagte, die Zeiten hätten sich geändert, und nur wenige Firmenvertreter (wenn überhaupt) hätten von den Produkten, die sie verkauften, noch eine Ahnung. Da zur Produktpalette nicht nur gewöhnliche Artikel wie Glühbirnen und Elektrogeräte für den Hausbedarf gehörten, sondern mittlerweile auch kostspielige Komponenten für Radiosender, Schaltvorrichtungen für Generatoren, Akkumulatoren für U-Boote und Stromkabel für Bergwerke, würden die Vertreter sich selbst und den Betrieb lächerlich machen. Er schlage vor, daß geeignete Personen in den verschiedenen Fabriken des Unternehmens eine technische Ausbildung erhalten und dann hinausgeschickt werden sollten, um technische Fragen, wo immer sie auftraten, zu beantworten oder zumindest mit Verstand zu deuten. Dergestalt meinte er, sei es möglich, den Umfang der blödsinnigen Antworten der Vertreter zumindest andeutungsweise zu reduzieren und dem Eindruck von totaler Ignoranz, den sie unter den ernster zu nehmenden Kunden verbreiteten, entgegenzuwirken. Man räumte ein, daß an seinen Bemerkungen immerhin etwas sein könnte, wenngleich ihre Formulierung zu wünschen übrig lasse.
    Ich war der erste der technischen Praktikanten. Wir wurden als »Praktikanten« bezeichnet, weil man mit »Lehrlingen« einen rechtsgültigen Vertrag mit allen Rechten und Pflichten hätte abschließen müssen. Als Praktikanten konnte man uns, je nachdem, welchen unmittelbaren Nutzen wir erbrachten, entlohnen oder auch nicht und uns ohne viel Federlesens auf die Straße setzen, wenn wir nichts brachten. Weil ich studiert hatte und von den chemischen Vorgängen bei der Herstellung von Glühlampen und Elektronenröhren ein bißchen Ahnung hatte, gab man mir zwei Pfund die Woche dafür, daß ich noch mehr lernte.
    Das Problem war nur, daß Ponders End so weit draußen lag. Arbeitsbeginn war um halb acht. Um pünktlich dort zu sein, mußte ich um fünf von zu Hause los, um einen Zug nach London Bridge zu erwischen. Von dort ging oder trabte ich zum Bahnhof Liverpool Street und nahm einen der schmutzigen Bummelzüge nach Enfield, die in Ponders End hielten. Die Bahnfahrt war gar nicht so teuer, weil ich um diese Tageszeit eine verbilligte »Arbeiterrückfahrkarte« benutzen konnte. Zum Mittagessen ging ich in eine gute Imbißstube in der Nähe des Fabriktors. Sorgen machte mir der Nebel, weil ich dann zu spät kam. Das passierte mir wiederholt in jenem Winter, und ich wartete dann immer wie versteinert darauf, zur Betriebsleitung zitiert und als begriffsstutziger Ignorant entlassen zu werden. Damals kam ich nicht auf den Gedanken, daß Verspätungen aufgrund von Nebel verständlich und entschuldbar sein könnten. Die Delikte eines ersten Praktikanten, dachte ich, würden nie und nimmer zu vergeben und zu entschuldigen sein. Als mein Vater ein Haus in Croydon kaufte und wir schließlich aus der Newstead Road dorthin umzogen, war die tägliche Fahrt nach Ponders End und zurück nicht mehr möglich. Eine Zeitlang löste sich das Problem durch Tante Ivy. Sie und ihr Mann, Bob Barclay, wohnten nur eine kurze Busfahrt entfernt von Ponders End und nahmen mich als Untermieter auf. Später gab es einen zweiten Praktikanten namens Alan Richardson. Im Auto seines Vaters fuhr er täglich von Norbury hinauf nach Ponders End, und von Croydon trampte ich meistens. Er fuhr schnell, sogar bei Nebel.
    Meine Angst vor dem Zuspätkommen ließ sich natürlich mit dem Arbeitseifer des kurierten Herumbummlers erklären, aber doch nur zum Teil. Ich hatte ein lebhaftes Interesse an meiner Arbeit entwickelt und wollte besser sein als nur gut. Meine Aufgabe bestand unter anderem darin, Fakten zusammenzutragen und mir das Know-How anzueignen. Aber ich entwickelte bereits meine eigenen Theorien über die Art der verschiedenen Arbeitsvorgänge im Betrieb. Ich führte private Arbeitsstudien durch, wenn ich sie auch nicht so bezeichnete, und unternahm inoffizielle Arbeitsbewertungen. Ich befand mich, von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz und von Abteilung zu Abteilung gehend, in einer privilegierten Position. Obwohl ich mit meinem braunen Kittel, den ich anstelle eines Overalls trug, wie ein Aufpasser aussah,

Weitere Kostenlose Bücher