Ambler by Ambler
»Gratisreklame«. Am Ende mußte Miss Miller ein ernstes Wort mit ihnen reden. Sie wies darauf hin, daß Lobhudeleien nicht gratis seien, sondern veröffentlicht würden, und zwar im allgemeinen ausschließlich deswegen, weil das Unternehmen einen großen Werbeetat habe. Reklame sei viel zu kostspielig, um sie für irgendwelchen Krempel zu vergeuden.
Es machte Spaß, für Miss Miller zu arbeiten. Sie trat für ihre Leute ein und vertraute ihnen. Sie konnte mutig delegieren. Wer, wenn nicht Miss Miller, hätte einen Neunzehnjährigen nach Birmingham entsandt, mit Bauplänen, einem Spesenkonto und dem Auftrag, sich darum zu kümmern, daß der Unternehmensstand auf der Britischen Industriemesse rechtzeitig fertig war, so daß am Eröffnungstag königlicher Besuch empfangen werden konnte? Gewiß, sie hätte niemand sonst schicken können, und ich war schließlich das Mädchen für alles, aber es war trotzdem ein Risiko für sie.
Mein größtes Problem war das Luxushotel, in das man mich einquartiert hatte. Ich war zu schäbig. Die Kellner im Grill-Room waren arrogant. Sie empfahlen Schnepfe und andere Speisen, die ich ungenießbar fand, und wollten, daß ich Wein anstatt Bier trank. Draußen auf dem Ausstellungsgelände war es leichter. Über Momente von Panik kam ich hinweg, indem ich mir den lrb -Adjutanten zum Vorbild nahm, einen Berufssoldaten, der vollendete Umgangsformen mit einer schonungslosen Kritik an Oberflächlichkeit oder Schluderei verbinden konnte.
Nach Birmingham wurde ich in ähnlicher Mission auch auf andere Industriemessen geschickt. Eine meiner regulären Aufgaben bestand darin, die Ausstellungsbauer herumzuscheuchen. Die im Ausstellungsbau tätigen Firmen neigten dazu, mehr Aufträge anzunehmen als sie bewältigen konnten, was bedeutete, daß man ständig gut zureden und drohen mußte, damit der Auftrag des eigenen Unternehmens termingerecht erledigt wurde. Daß das Unternehmen den Titel eines Königlichen Hoflieferanten trug, dürfte sich eher hinderlich als förderlich ausgewirkt haben. Die Arbeit, mit der Überstunden in einer von Termindruck und oft auch Gereiztheit geprägten Atmosphäre einhergingen, wurde von Zimmerleuten getan, die zum Teil militante Linke gewesen sein sollen. »Bolschie« war der übliche Ausdruck, doch »bösartig« hätte wohl eher gepaßt. Bei meinem Alter und meiner geringen Trinkfestigkeit wäre es zwecklos gewesen, den Vorarbeiter günstig stimmen zu wollen. Es gab nur eine Methode, sicherzugehen, daß auch wirklich gearbeitet wurde: indem ich mich, über den Kopf des Vorarbeiters hinweg, direkt an den Repräsentanten der Firma wandte, der den Job übernommen hatte und eine entsprechende Provision bekommen würde. Männer, die es gewohnt waren, in geschäftlichen Dingen mehr mit Männern als mit Frauen zu tun zu haben, waren in bezug auf Miss Miller immer sehr neugierig. Ich stillte ihre Neugier mit Märchen. Ich schilderte ihre Freundlichkeit und Aufmerksamkeit gegenüber ihren Mitarbeitern und sprach im gleichen Atemzug von einem gewissen Hang zum Nachtragen und von der Vergeltung, die zu spüren bekam, wer sie sitzen ließ. Es habe einmal einen Drucker gegeben, einen der größten wohlgemerkt – ich flüsterte vertraulich den Namen –, der nie wieder einen Auftrag von ihr bekommen würde. Grund: Nichteinhaltung eines Liefertermins. Vielleicht nicht ausschließlich seine Schuld, aber das spielte keine Rolle. Er habe versagt, also sei er weg vom Fenster. Mir persönlich würde dieser ständige Wechsel von Zulieferbetrieben auch nicht gefallen, aber ich sei halt bloß der Laufbursche. Jetzt stünde ja zum Beispiel die Ideal Home Exhibition vor der Tür, und Miss Miller erwäge, ob sie den Unternehmensstand diesmal nicht von einem Architekten entwerfen und den Aufbau öffentlich ausschreiben solle. Ich würde wirklich hoffen, daß sie es sich noch anders überlegt, aber …
Wenige Monate später beförderte man mich zum regulären Mitarbeiter in der Abteilung Werbung und Öffentlichkeitsarbeit und erhöhte mein Gehalt von vier Pfund auf fünfeinhalb Pfund die Woche.
Diese Gehaltserhöhung kam mir sehr gelegen. Ich war gerade hinter einem hübschen Mädchen her, das in Norbury wohnte. Es hatte einen teuren Geschmack und schwachsinnige Eltern. Wenn meine Nebenbuhler ihm etwas schenkten oder es zum Tanzen in schicke Nachtclubs im Westend entführten, war seine Mutter immer sehr bedacht darauf, daß ich davon erfuhr. Meine Eltern billigten meine Bemühungen. Mein
Weitere Kostenlose Bücher