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Ambler by Ambler

Ambler by Ambler

Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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gerade Toast. Ich konnte sie hören und den Toast riechen. Ich befürchtete, sie würde meine Proteste hören und nachsehen wollen. Was, wenn sie hereinkäme und sähe, wie ich die Bettdecke fest an die Brust drückte wie …, nun ja, wie die Heldin eines Lore-Romans, die ihre Ehre verteidigt? Was sollte sie denn davon halten, fragte ich ihn.
    »Nichts«, sagte er ungeduldig, »ihr macht es nichts aus.«
    Aber mir machte es was aus. Meine Weigerung, ihm zu Willen zu sein, hatte bestimmt etwas abstoßend Zickiges, aber er war ja auch ziemlich abstoßend. Danach begegnete er mir mit vorwurfsvoller Verdrießlichkeit. Alle Schriftsteller seien bisexuell, meinte er traurig. Wenn ich ein Schriftsteller sein wollte, müßte ich auch bisexuell sein. Das wisse doch jeder.
    Ich war noch immer nicht überzeugt. Bei Jung stand nichts dergleichen, auch bei Kraft-Ebing nicht. War Dostojewskij bisexuell gewesen? Oder Gogol? Wer konnte das schon sagen. Aber wie sah es mit Wyndham Lewis aus? Nach der Lektüre von The Apes of God hatte ich geglaubt, daß mich kein abweichendes Verhalten mehr erschüttern könnte. War Ibsen bisexuell gewesen? Oder Shaw? Ich sollte mich mal bei Candida oder bei Mrs. Patrick Campbell erkundigen. Oder bestand die Pflicht zur Bisexualität etwa nur bei Romanschriftstellern? War es bei Bühnenautoren womöglich freiwillig?
    Trotzdem habe ich mich gefragt, ob ich auf die Avancen des Stilisten vielleicht anders reagiert hätte, wenn er nicht diese süßlichen Liebeserklärungen gemacht und besser ausgesehen hätte. Von meiner Fähigkeit, Versuchungen zu widerstehen, hatte ich nie besonders viel gehalten. Eines Tages vielleicht … Glücklicherweise war ich nicht das einzige Objekt seiner Nachstellungen. Auch auf die Grafiker hatte er ein Auge geworfen.
    Einer dort, bei dem er überhaupt nicht ankam, war John French, jener John French, der später Fotograf wurde. In der Agentur entwarf er Plakate. Ansonsten war er ein vortizistischer Maler mit einer sehr stark an Léger orientierten Palette. Ich beneidete ihn um seinen Farbensinn. Noch mehr beneidete ich ihn um die freundliche Gelassenheit, mit der er die leidenschaftlichen Gesten abwehrte und die gemurmelten Liebesbeteuerungen ignorierte, die mich so sehr in Verlegenheit brachten.
    »Auf der Schule nannten wir es Das Geheimnis des alten Hinterladers«, sagte mir John eines Tages beim Lunch. »Ich weiß, es ist ein furchtbar affektierter Ausdruck, aber wenn Jungen Homosexualität nicht zeigen dürfen, muß es irgendeine Möglichkeit geben, so darüber zu sprechen, daß jeder Bescheid weiß. Keine Ahnung, wie es auf seiner Schule hieß, oder du? Vermutlich irgendwas Langweiliges wie Du-Weißt-Schon oder Die Liebe, die sich nicht zu erkennen geben darf.«
    John führte mich in die vortizistische Malerei ein, durch ihn lernte ich die Kabarettsongs von Douglas Byng kennen, das Ballet Rambert im Mercury Theatre und die Souterrain-Tische im ›Café Royal‹. Er stellte mich auch Vere Denning vor, die damals als Modejournalistin arbeitete. Sie hatte eine präzise und ruhige Ausdrucksweise, die mich sehr faszinierte. Sie begegnete meiner Naivität mit Freundlichkeit, und unter ihrem Einfluß verlor ich wohl etwas von meiner Tolpatschigkeit.
     
    Als ich eines Tages nach Hause kam, fand ich meine Mutter in Tränen vor. Das war sehr ungewöhnlich; Weinen war nicht ihre Art. Es dauerte eine Weile, bis ich herausgefunden hatte, was sie bedrückte.
    »So eine Schande«, rief sie immer wieder, und fürs erste war das alles, was sie sagte.
    Eine Zeitlang dachte ich, daß eine meiner Missetaten herausgekommen sein mußte, aber nein, es war Onkel Frank, der in der Klemme saß. Er war verhaftet worden und stand nun wegen verschiedener schwerer Vergehen vor Gericht. Die Anklageliste reichte von Betrug und versuchter Steuerhinterziehung bis zu Urkundenfälschung und Diebstahl.
    Das Unternehmen, für das er arbeitete, war eine landesweit tätige Firma in der Altmetallbranche. Jahr für Jahr wurden abertausende Tonnen von Schrott gekauft und wieder verkauft. Eingekauft wurde waggonweise. Onkel Franks Aufgabe hatte darin bestanden, die Käufe zu tätigen und dann, sobald auf den Nebengleisen der Fabriken genügend Waggonladungen beieinander waren, den Verkauf zu organisieren. Dann wurden Züge zusammengestellt, die die Fracht zu den Eisengießereien schafften, die an dem Zeug interessiert waren, oder (öfter noch) in Seehäfen transportierten, von wo der Schrott nach Übersee

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