Ambler by Ambler
viktorianischen Illustratoren, die ihn nachzuahmen suchten, hatte ich immer scheußlich gefunden, doch für einen Augenblick hätte ich an alles geglaubt, selbst an eine Schar von Engeln und an einen bärtigen Gott, der seinen starken rechten Arm durch den Hof des Mondes herunterstreckt.
In Rom hatten wir vier Stunden Aufenthalt. Um die Zeit totzuschlagen, besuchten wir eine vielpropagierte Ausstellung, auf der die Errungenschaften des Faschismus seit 1921 gezeigt wurden. In jenem Jahr hatte, vor dem berühmten Marsch von Mailand, der Kongreß von Rom stattgefunden. Die Ausstellung war in einem modernen, höhlenartigen Gebäude irgendwo hinter dem Vittorio-Emmanuele-Monument untergebracht und war, einmal abgesehen von den Duce-Parolen an den Mauern, die erste faschistische Propaganda, die ich gesehen hatte. John wußte nicht so recht, ob wir hineingehen sollten, aber ich war neugierig. Außerdem war der Eintritt frei. John ließ sich breitschlagen, schärfte mir aber ein, mich über nichts lustig zu machen und ja nicht zu zeigen, daß ich irgend etwas komisch fand. Die Italiener in Rom seien ganz anders als die in Positano, sagte er.
Mittelpunkt der Ausstellung war ein »Schrein« zur Erinnerung an die gefallenen Helden und Märtyrer der Bewegung, gewissermaßen ein politisches Mahnmal. Es bestand aus einer Reihe von hellerleuchteten, lebensgroßen Wachsfigurengruppen, welche die entscheidenden Phasen von Heldentum und Märtyrertod verkörpern sollten. Jede Gruppe stand vor einem gemalten Hintergrund, und alle zusammen wirkten sie in dieser dunklen Rotunde wie ein Gemäldezyklus. Die Posen der Wachsfiguren hatten etwas Operettenhaftes, und an aufgemaltem Blut war nicht gespart worden. Ich fand das Ganze zwar absurd, aber nicht komisch. Die Märtyrer waren, wie ich feststellte, allesamt ehemalige Abgeordnete des italienischen Parlaments, und sie waren in den Posen festgehalten worden, die sie in dem Augenblick einnahmen, als sie von kommunistischen Attentätern erschossen oder erstochen wurden.
John murmelte verächtlich etwas von »statischer Darstellung von bewegten Gegenständen«, aber ich mußte an etwas anderes denken. Es war die Entführung und Ermordung des sozialistischen Abgeordneten Matteotti durch faschistische squadristi , die Mussolini auf seinem Weg zur Macht am meisten in Verruf gebracht hatte. Das war im Jahre 1923 gewesen. Doch hier, Jahre später, sah es so aus, als versuchte der Faschismus noch immer, die Erinnerung an das Verbrechen auszulöschen oder zu verwischen (und möglicherweise den Fehler ungeschehen machen zu können), indem man ein paar andere Parlamentarier vorführte, die ebenfalls Opfer der Zeit geworden waren.
Ich wollte John gerade fragen, was er von meiner Überlegung hielt, als plötzlich ein scharfes Zischen zu hören war.
Ich habe gesagt, daß dieses Ausstellungsstück wie ein politisches Mahnmal wirkte, und es war nicht nur die Art, wie das Ding aufgebaut war, die diesen Eindruck hervorrief. Ringsum, in regelmäßigen Abständen, standen im ganzen Rund schneidig uniformierte Schwarzhemden Ehrenwache. Sie waren mit Karabinern bewaffnet. Die carabinieri am Eingang trugen bloß Pistolen im Halfter. Es war einer dieser Schwarzen, der gezischt hatte, und er hielt auch den Karabiner auf uns gerichtet. Er zischte jetzt einen mir unverständlichen Befehl und versetzte, wie zum Nachdruck, dem Kolben seines Gewehrs einen Schlag.
John übersetzte. »Es ist verboten, durch Sprechen seine Mißachtung zu zeigen. Wenn wir nicht sofort verschwinden, sagt er den Grünen Bescheid, die nehmen uns dann fest.«
Die Grünen waren die carabinieri . Wir verließen den Ort ohne weitere Diskussion und ohne uns noch einmal umzusehen.
Das war nicht das erste Mal, daß jemand sein Gewehr auf mich gerichtet hatte. Mein zweites lrb -Camp war in Aldershot gewesen, und in jenem Jahr hatten wir an einer Divisionsübung teilgenommen, deren Höhepunkt ein kleines Gefecht sein sollte. Zur allgemeinen Überraschung war alles nach Plan verlaufen. Der Tag endete damit, daß wir einen langen Graben hinter einem Hügel verteidigen sollten gegen einen Feind, der uns mit Geschützfeuer zu bedecken und anschließend von der Seite her anzugreifen hatte. Die Endphase war so realistisch, wie das bei Platzpatronen und Rauchgranaten eben ging. Trotzdem hatte uns die totale Verblüffung geradezu schockartig erfaßt. Als die Angreifer aus dem absolut stillen Gelände plötzlich von rechts auftauchten, schien ein oder
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