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Ambler by Ambler

Ambler by Ambler

Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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zwei Minuten alles völlig real zu sein. In unserer Überraschung fingen wir an zu schießen, als befänden wir uns tatsächlich in Gefahr. Schließlich gehörten die uniformierten Männer nicht zu unserem Regiment. Womöglich hatte man ihnen irrtümlicherweise echte Munition gegeben, und ihre Bajonette (die wir in den Infanterieregimentern noch immer »Seitengewehr« nannten) waren bestimmt nicht aus Pappmaché.
    Als sie unter lautem Geschrei vorgerückt kamen, gingen uns auf einmal die Platzpatronen aus, und der Sergeant befahl uns, die Bajonette aufzupflanzen. Dann bezogen wir im Graben Aufstellung, um den Gegner dort in Empfang zu nehmen. Ich glaube, daß wir alle in jenem Moment ein wenig von jener Angst spürten, die sie früher erlebten, wenn sie sich auf dem Schlachtfeld Auge in Auge gegenüberstanden.
    Ob das Gewehr des Schwarzhemds mit scharfer Munition geladen war oder nicht, konnte ich in Rom nicht feststellen. Der Schlag, den er dem Kolben versetzte, war allerdings überzeugend gewesen. Überzeugend und interessant war auch die Furcht, die mich plötzlich vor der Uniform durchzuckt hatte. Ich stellte fest, daß es etwa drei Sekunden gedauert hatte, ehe sich Furcht in Zorn verwandelte, und dann noch eine halbe Sekunde, um mir in Erinnerung zu rufen, daß ich ein Ausländer war und wohl aus diesem Grund Anstoß erregte.
     
    In dieser Zeit etwa wurde aus mir ein Steuerzahler. Auf die Pubertät war ich mehr oder weniger vorbereitet gewesen. Meine Liaison mit dem Finanzamt begann ohne jegliche Vorbereitung.
    Das erste, was ich von den Leuten dort hörte, war eine offizielle Aufforderung, vor dem Amtsgericht in der Marlborough Street zu erscheinen und darzulegen, warum ich mit der geschuldeten Summe von sechs Pfund fünfzehn Shilling noch immer im Rückstand sei.
    Damals war es noch nicht so, daß der Arbeitgeber die Steuern der Angestellten einbehielt; er wurde zuweilen bloß aufgefordert, seine Lohnlisten vorzulegen. Der Buchhalter in meiner Agentur, dem ich meine Vorladung zeigte, in der Hoffnung, von ihm einen Tip zu bekommen, konnte sich das Ganze nicht erklären.
    »Hat man dir nicht Formblatt D geschickt und dich aufgefordert, eine Steuererklärung abzugeben?«
    »Nein.«
    »Also, ich würde ihnen schreiben und sie fragen, was sie vorhaben.«
    Ich las mir die Vorladung noch einmal sorgfältig durch. Die Formulierungen schienen eindeutig zu sein. Falls ich nicht vor Gericht erschiene, würde ich gegen die gesetzlichen Bestimmungen verstoßen und könnte praktisch jeden Augenblick verhaftet werden. Dann würde ich im Gefängnis landen, so wie Onkel Frank, vielleicht sogar in Maidstone. Von der Vorladung erzählte ich niemand, nur dem Buchhalter. Selbst wenn ich so frech gewesen wäre und seinen Rat befolgt hätte, wäre da noch immer die Vorladung gewesen. Nun war mir also die Polizei auf den Fersen. Nun ging es bergab mit mir, und zwar so schnell, daß selbst ein glotzender Dean Farrar überrascht gewesen wäre. Also, zum Teufel mit Dean Farrar. Er war tot, und um ihn brauchte ich mir keine Sorgen mehr zu machen.
    Das Amtsgericht erinnerte mich sehr stark an die frühen Edgar-Wallace-Romane. Als ich dort eintraf, war gerade eine Grüne Minna vom Untersuchungsgefängnis angekommen, und die Zellen der Polizeiwache wurden aufgeschlossen. Angeklagte und Polizisten spazierten locker herum, man bot einander Zigaretten an, rauchte und traf Absprachen. »Hör mal, Gordon. Wenn du dich diesmal für schuldig erklärst, werde ich mein möglichstes für dich tun.« Ich ging auf einen wachhabenden Polizisten zu, zeigte ihm meine Vorladung und fragte, wo ich mich melden sollte. Er sah mich mißtrauisch an, ehe er mit dem Kopf auf eine Tür wies. »Geh dort rein«, sagte er, »und bleib hinten stehen. Wenn du aufgerufen wirst, mach dich bemerkbar. Wenn sie dich auf der Anklagebank haben wollen, werden sie dir schon Bescheid sagen.«
    Ich tat, wie mir geheißen, und gesellte mich zu den Kumpeln der Betrunkenen und Randalierer der vergangenen Nacht. Ihre Fälle wurden im Schnellverfahren abgehandelt. Dann besprach sich der Richter kurz mit dem Justizbeamten, der daraufhin einen Mr. Soundso vom Finanzamt laut aufrief. Ein blasser, korrekt gekleideter Mann trat sogleich vor. Er betrat, ohne eine Aufforderung abzuwarten, den Zeugenstand. Der Justizbeamte ließ ihn schwören und las dann sehr schnell eine Namensliste herunter. Er sprach nicht sehr deutlich, und meinen Namen hörte ich eher zufällig. Ich piepste:

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