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Ambler by Ambler

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Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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naheliegend, daß Alan einen Ausgleich suchte und daß er ihn im Laientheater fand. Er machte bei der British Drama League mit, vor allem bei den Wettbewerben für Einakter, die regelmäßig von ihr veranstaltet wurden.
    Dort war auch Madam Ginnett anzutreffen, wenngleich aus rein beruflichen Gründen. Aufführungen in der Aula, die sich die Abteilung Schauspiel mit der Abteilung Musik teilte, waren für die Guildhall-Studenten von begrenztem Wert. Inszenierungen in verfügbaren kommerziellen Theatern, der alten Scala beispielsweise, waren für zwei oder drei Aufführungen einfach zu teuer, selbst wenn das Publikum aus Eltern und Freunden bestand, die sich die Eintrittskarten etwas kosten ließen. All dies hatte Madam Ginnett bewogen, durch die Teilnahme an den Wettbewerben der Drama League ihren Studenten zusätzliche Erfahrungen zu vermitteln. Die Endrunde, die die Guildhall meistens erreichte, wurde in einem Londoner Theater abgehalten, das über gute bühnentechnische Möglichkeiten und fähige Mitarbeiter verfügte. Nie wurden Einwände laut, die Schüler der Akademie seien strenggenommen gar keine Amateure. Den Juroren, bei denen es sich jedesmal um hauptberuflich tätige Regisseure handelte, blieb es überlassen, die kritischen Maßstäbe anzulegen, die sie für angemessen hielten. Vielleicht hatte man auch erkannt, daß eine Schauspielakademie, mochte sie noch so professionelle Ansprüche haben, bei der Rollenbesetzung und Stückauswahl sich mit Schwierigkeiten herumzuschlagen hatte, die von finanziell gutgestellten Laienspielgruppen mühelos gemeistert wurden.
    Madam Ginnetts Schüler waren allesamt junge Leute etwa gleichen Alters, und Studentinnen waren zahlreicher vertreten als Studenten. Einige besaßen natürliches Talent, doch die meisten waren bestenfalls intelligent. Es gab keine reifen Charakterdarsteller. Was an Einaktern zur Verfügung stand, war entweder banales Zeug oder schwer zu besetzen. Stücke für Starstudenten waren witzlos für die anderen. Die Guildhall School sträubte sich, für Aufführungsrechte zu bezahlen, wenn die Abteilung Musik sich mit toten Komponisten oder eigenen Kompositionen behalf. Madam war also durchaus zugänglich für Unterstützung seitens Freiwilliger, denen die Befriedigung, ihr geholfen zu haben, Lohn genug war.
    Alan Martin Harvey stand damals in den Dreißigern, doch seine Glatze ließ ihn älter wirken. Er war ein erfahrener Charakterdarsteller, dem es Spaß machte, bei den Guildhall-Inszenierungen mitzuwirken. Er stellte mich als halbprofessionellen Schauspieler vor, der gerne bei Statistenrollen aushelfen würde. Wenn Madam einen von mir geschriebenen Einakter lesen und möglicherweise für eine Aufführung in Betracht ziehen würde, dann würde ich zusätzlich noch beim Bühnenumbau mithelfen oder Tee machen.
    Ich weiß noch, worum es in dem Stück ging, aber nicht mehr, wie es hieß. Mit einiger Mühe würde ich den Titel im Archiv der British Drama League wohl zu Tage fördern. Aber eigentlich will ich das gar nicht. Der Titel war wohl ganz gut; das Stück selbst war wichtig für mich, weil es so katastrophal war. Ich lernte einiges aus der Aufführung.
    Es war die Zeit der mit Gas verübten Selbstmorde. Die Hauptperson meines Stückes, ein junger Mann, beschließt in seiner allergrößten Verzweiflung, seinem Leben ein Ende zu setzen. Während er stirbt, wird er mit den Geistern der Vergangenheit konfrontiert. Ein unerbittlich anklagendes Über-Ich beschwört all die Frauen und Männer herauf, denen er Unrecht getan hat. Ihm wird der Prozeß gemacht, er wird schuldig gesprochen und verurteilt. Er wird keinen leichten Abgang finden, es wird kein Schwelgen in Selbstmitleid, keine süßen Todesträume geben. Der Münzautomat neben dem Gashahn läuft ab, das Urteil kann vollstreckt werden. Er ist zum Leben verurteilt. Pech. Vorhang.
    Das Buch war irreführend. Auf dem Papier sah es gar nicht so schlecht aus. Madam glaubte, daß sich etwas daraus machen ließe. Der Part des Selbstmörders wäre vielleicht etwas für einen ihrer talentierteren Schauspieler. Der, den sie meinte, stammte aus einer Familie, die kürzlich von Budapest nach Hampstead gekommen war. Er würde ein paar großartige, sorgfältig einstudierte Monologe haben, und weder sein leichter Akzent noch seine etwas rundliche Erscheinung würden in einem so grausamen, unenglischen Szenario deplaziert wirken.
    Alan Martin Harvey spielte den Ankläger sehr schön, und die Studenten, die die Geister

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