Ambler by Ambler
meinte der Mann mit dem Regenschirm. »Sie haben mich gefragt, und ich habe Ihnen eine Antwort gegeben. Ich bin Einbrecher. Ich meine: hauptberuflich. Man könnte vermutlich sagen, daß ich den Besitz umverteile.«
Der Redner, der gerade den Mund voll Toast hatte, spuckte die Hälfte wieder aus und konnte wegen eines heftigen Hustenanfalls nichts sagen. Diesen Augenblick machte ich mir zunutze. Der Mann mit dem Regenschirm war bestimmt ein Hallodri, aber ich hielt es für möglich, daß er die Wahrheit sagte. »Schon mal erwischt worden?« fragte ich.
»Nur einmal«, sagte er, »aber es wird nicht wieder vorkommen. Ich bin jetzt eine Respektsperson und arbeitete absolut selbständig.« Er erhob sich und legte das Geld für seine Tasse Tee neben die Untertasse. »Heutzutage schadet es einem nur, wenn man allzu offen ist, stimmt’s?« Mit einem freundlichen Nicken ging er von dannen.
Als der Redner seine Sprache wiederfand, wirkte er verbittert. »Einige von ihnen sind zu allem fähig«, meinte er. »In meiner Lage muß man aufpassen. Sie haben natürlich gemerkt, worauf er hinauswollte!?«
»Sie meinen, daß er Sie angepflaumt hat, ja? Daß er sich als Einbrecher ausgegeben hat?«
Der Redner reagierte wieder unwirsch. »Was er mit Ihnen gemacht hat, Genosse, das weiß ich nicht, aber mich hat er ganz gewiß nicht angepflaumt. Verhöhnt hat er mich! Proudhon sagt, Eigentum ist Diebstahl. Dieser Heini da hat Eigentum. Ergo: er ist ein Dieb. Einbrecher! Daß ich nicht lache! Special-Branch, von dort war er. Das riech’ ich doch eine Meile gegen den Wind. Hören Sie mir doch auf mit diesen Brüdern! Provokateure, durch die Bank!«
Ich glaubte nicht, daß der Mann mit dem teuren Regenschirm Proudhon las, und ich glaubte immer noch, daß er ein ehrenwerter Einbrecher war. Aber es gab keine Möglichkeit, das festzustellen. Um die Debatte zu beenden, zahlte ich nicht nur für den Tee des Redners, sondern auch für das pochierte Ei auf Toast.
Ich war gerade im Begriff, die letzten Kapitel von Ungewöhnliche Gefahr umzuschreiben, als ich von John Green, meinem Agenten bei Curtis Brown, erfuhr, daß Alfred A. Knopf, der berühmte amerikanische Verleger, in London sei und sich mit mir treffen wolle. Er hatte Der dunkle Grenzbezirk mit Interesse gelesen, konnte das Buch aber nicht herausbringen, weil ich das Copyright für die Vereinigten Staaten nicht mehr besaß. Die Berner Urheberrechtskonvention war in den Staaten damals nur kurzzeitig gültig. Ob er wohl Ungewöhnliche Gefahr lesen dürfe, so wie es war, unfertig?
Er durfte. Er las es, und es gefiel ihm. Ich hatte einen amerikanischen Verleger, und einen der besten überhaupt. Er war auch der erste Mann, dem ich begegnet war, der rosa Hemden tragen konnte. An ihm sahen sie sogar dezent aus. Er wollte das Manuskript, abgesehen von Anpassungen an die amerikanische Schreibweise, unverändert übernehmen. Aus irgendeinem Grund, den ich nie verstanden habe, hatte Hodder and Stoughton etwas gegen ein Wort im Titel. In allen englischsprachigen Ländern mit Ausnahme der Vereinigten Staaten wurde das Buch daher unter einem leicht veränderten Titel veröffentlicht. Es kam mit beiden Titeln recht gut an. Viele Rezensenten meinten, ich hätte eine neue, realistischere und bessere Art von Thriller geschrieben.
Etwa zu der Zeit, da ich jene Besprechungen las, verspürte ich in der Nähe des Blinddarms immer stechendere Schmerzen. Betty schickte mich zu einem indischen Arzt, mit dem sie bekannt war. Er war nicht nur bezaubernd, sondern auch tüchtig. Binnen weniger Tage lag ich auf der Chirurgie von Bartholomew’s Hospital in einem großen Krankensaal, und ein Assistenzarzt, der einem Privatpatienten für das Entfernen des Blinddarms hundert Guineen berechnete, machte es bei mir umsonst. Im Jahre 1937 war eine Blinddarmoperation noch mit einem etwa dreiwöchigen Klinikaufenthalt verbunden. Nach der Operation besuchte mich eine Verwaltungsangestellte des Krankenhauses. Sie wollte wissen, ob ich imstande sei, mich an den Pflegekosten zu beteiligen. Könnte ich, sagen wir mal, zwei Pfund die Woche zahlen? Ich könnte mehr zahlen? Nein, nein, tue ihr leid, zwei Pfund die Woche sei der Höchstbetrag. Wenn ich meinte, später, bei meiner Entlassung der Klinik etwas spenden zu können, dann werde das mit Dankbarkeit entgegengenommen. Solange wir Patienten alle in einem Saal lägen, sei es besser, wenn alle mehr oder weniger dasselbe bezahlten. Der Arzt begründete seine
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