Ambler by Ambler
nicht tatsächlich Mitglieder der kp waren. Wenn der Begriff Mitläufer damals in seinem heute üblichen pejorativen Sinne verwendet worden wäre, hätte man viele von uns bestimmt als solche bezeichnen können.
Gleichwohl kann ich mich nur an eine Versammlung erinnern, bei der es die Partei selbst war, für die Propaganda gemacht wurde. Die Veranstaltung fand in einem Club in der Great Newport Street statt und wurde von Stephen Spender eröffnet. Ich glaube, er sagte, daß die jüngsten Berichte aus dem republikanischen Spanien sehr viele Schriftsteller mit Sorge erfüllten. Offensichtlich gebe es dialektische Widersprüche zwischen den Ansichten einer gewissen trotzkistischen Gruppierung dort und den klaren Überzeugungen der kommunistischen Kämpfer für die Demokratie. Aus diesem Grund seien ein paar Leute, die mit den Fakten vertraut seien, heute abend hergekommen, um Fragen zu beantworten und Zweifel zu zerstreuen. Er stellte Raymond Swingler vor, der daraufhin das Wort ergriff und in einer Sprache redete, die ich nie habe verstehen können, in der Sprache des akademischen Theoretikers. Er hatte Freunde unter den Zuhörern, die dieselbe Sprache sprachen, und es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion. Ich verstand kein Wort davon, und anderen erging es ähnlich. Das war nicht der gewöhnliche Jargon eines gefallsüchtigen dialektischen Materialismus, sondern reinstes Kauderwelsch. Der glasige Blick, mit dem Spender die Versammlung beendete, brachte mich zu der Vermutung, daß auch er den Abend ein wenig anstrengend gefunden haben mochte. Ich kann mir nicht vorstellen, daß irgendwelche Zweifel zerstreut wurden.
Der einzige kommunistische Redner, der jemals überzeugend auf mich wirkte, gehörte zu jenen, die sonntags im Hyde Park auftraten. Er konnte Wendungen und zuweilen ganze Sätze aus dem Kommunistischen Manifest zitieren, mit einer gewissen stockenden Verwunderung und dann wieder so hingerissen, daß man den Eindruck gewann, er habe sie gerade erst erfunden. Ihm zuzuhören war durchaus ein bewegendes Erlebnis.
Er brauchte jedoch sein kleines Podest; ohne das war er verwundbar. Eines Sonntags blieb ich noch, nachdem sein Helfer die Kiste weggeräumt hatte, und fragte, ob er Lust hätte, mit mir eine Tasse Tee zu trinken. Ich glaube, eine kleine Spende für den ›Daily Worker‹ hätte er besser gefunden, aber er zögerte nur kurz und willigte dann ein. Ein kleiner, sauber gekleideter Mann, der sich unter den Zuhörern befunden hatte und einen eingerollten Regenschirm bei sich trug, fragte dann, ob er sich uns anschließen dürfe. Der Redner zuckte mit den Schultern und ging uns voran aus dem Park. Er habe noch nicht zu Mittag gegessen, sagte er. Er persönlich würde zum Tee noch etwas essen.
In der Lyons-Stube an der Ecke Edgware Road bestellte der Redner ein pochiertes Ei auf Toast und machte sich daran, die Ansichten des Mannes mit dem Regenschirm zurechtzurücken. Der Mann sah aus wie ein mittlerer Beamter Anfang vierzig. Sein Regenschirm war eines dieser teuren Exemplare mit einem Griff aus Malakka-Rohr und einem goldenen Band. Er war dem Redner bestimmt durch seinen Regenschirm als jemand aufgefallen, der seiner dialektischen Hilfe besonders dringend bedurfte und dem er seine marxistischen Lebensweisheiten um die Ohren hauen konnte.
Der Mann mit dem Regenschirm zeigte sich jedoch merkwürdig unkooperativ. Schließlich hatte er doch gefragt, ob er sich uns anschließen dürfe. Und nun, anstatt dem Redner zuzuhören, stellte er ihm andauernd Fragen, ungewöhnliche, stark vereinfachende Fragen. Es sei ja schön und gut, von der Umverteilung des Besitzes zu reden und von der Überführung der Produktionsmittel in Gemeineigentum, aber wer, bitte, würde was bekommen? Und was bedeute ›Jeder nach seinen Bedürfnissen‹? Wer würde das Sagen haben? Jemand wie Sie oder jemand wie ich? Und so weiter, ein stümperhaftes Kreuzverhör.
Die Geduld des Redners war bald erschöpft. Anklagend wies er mit dem Teelöffel auf den Mann mit dem Regenschirm. »Und womit, wenn ich fragen darf«, sagte er betont höflich, »verdienen Sie Ihren Lebensunterhalt? Kriminaler in Zivil, was? cid (Criminal Investigation Branch) oder Special Branch?«
Der Mann mit dem Regenschirm lächelte unsicher. »Nein«, sagte er. »Ich bin Einbrecher.«
Der Redner war verärgert. »Ich habe eine anständige Frage gestellt«, fauchte er, »und darf wohl eine anständige Antwort erwarten!«
»Ich hab’s Ihnen doch gesagt«,
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