Ambler by Ambler
wir ihm nicht helfen können.«
Sie halfen, und zwar mit einem Vertrag über sechs Bücher, für jedes würde ich, bei Abgabe, einen Vorschuß von einhundert Pfund erhalten. Wenn ich zwei Bücher pro Jahr schriebe, dann würde es wohl gerade reichen. Ich war schon mit vier Pfund die Woche ausgekommen. Das wäre auch ein zweites Mal möglich.
Kalte Füße bekam ich erst, nachdem ich Nachruf auf einen Spion beendet und abgeliefert hatte. Ich hatte Alan Harvey von meiner Entscheidung sofort unterrichtet, und er hatte verständnisvoll reagiert. Die anderen Direktoren wollten wir erst ein paar Wochen später informieren. Ich wollte, daß die wenigen Klienten, für die ich die alleinige Verantwortung trug, fest in Alans Händen waren, wenn ich schließlich gehen würde. Daß ich kalte Füße bekam, war wohl mit einem Wiederaufleben jener aus den Jahren der Wirtschaftskrise stammenden Befürchtung zu erklären, bald keinen gesicherten Arbeitsplatz mehr zu haben.
Leonard Cutts, dem man über die Ängste und Schwächen von Schriftstellern nichts zu erzählen brauchte, fand eine Möglichkeit, die düsteren Gedanken zu verscheuchen. Er hatte bei Hodder & Stoughton die »Teach Yourself«-Lehrbuchreihe aufgebaut und gab mir nun den Auftrag, ein katastrophales Manuskript zu redigieren, das er gerade von einem seiner Professoren in Oxford oder Cambridge bekommen hatte. Das Thema lautete ›Klares Denken‹. Das Manuskript jedoch war eine einzige Schlamperei. Allerdings nicht etwa schlampig getippt, sondern schlampig gedacht. Der Text war nur mit Mühe zu lesen. Es dauerte eine Weile, ehe ich begriff, worauf der Autor hinauswollte, freilich erst, nachdem ich seine Sätze umgestellt und verständlicher formuliert hatte. Sein Beispiel etwa für falschen Syllogismus war zwar gut, aber es wurde in einer den Leser völlig verwirrenden Weise präsentiert. Es war ein gutes Buch, und das Redigieren war ein meine Eitelkeit befriedigender Job. Es machte mir Spaß. Ich hatte auch mit einem weiteren eigenen Buch angefangen, mit Anlaß zur Unruhe.
Onkel Frank sollte bald aus dem Gefängnis entlassen werden, und meine Mutter hatte beschlossen, ihn eine Weile bei sich aufzunehmen und ihn aufzupäppeln. Nachruf auf einen Spion sollte im Frühjahr herauskommen. Bis dahin würde ich bei der Agentur schon aufgehört haben und in Frankreich leben. Mitnehmen würde ich bloß einen Koffer und eine Tasche mit allem Notwendigen wie Wörterbüchern und Schreibutensilien. Ich hielt es für richtig, Onkel Frank, einem inzwischen geschiedenen Mann, meine möblierte Wohnung als Ausweichquartier anzubieten. Selbst meine Mutter, die Moreton Place immer verachtet hatte, fand an diesem Plan nichts auszusetzen. »Schlimmer als Maidstone kann es für ihn ja nicht sein!«
Ich habe mit Betty nie darüber gesprochen. Als ich sie eines Abends, wir waren fürs Theater verabredet, abholen wollte, fand ich sie völlig aufgelöst und in Tränen vor. Eine Stunde zuvor war Bill in seinem Atelier tot aufgefunden worden. Man vermutete einen Herzinfarkt, doch Genaueres würde die Obduktion ergeben. Bills großer Freund, der Kupferstecher Henry Rushbury, der im Hinterhaus ein Atelier hatte, war schon da und half, aber Betty schluchzte nur hemmungslos, und wir beide konnten nichts tun als mit ihr zu trauern. Erst in den folgenden Wochen wurde ihr klar, daß sie nicht immer davon sprechen mußte, welches Unglück sie über jeden gebracht habe, vor allem über Bill. Und bald wurde auch festgestellt, daß er ein Testament zu ihren Gunsten hinterlassen hatte und daß sie nun Geld genug besaß, um nicht mehr arbeiten zu müssen.
Als sie das Atelier ausräumte, schenkte sie mir zwei seiner Karikaturen aus dem Ersten Weltkrieg (sie waren für den ›Herald‹) und einen Probeabzug einer seiner Lithographien mit dem Titel ›Nacht vor Verdun‹. Sie sagte, er habe ihm nicht gefallen, und es gäbe nur diesen einen Abzug. Ich freute mich darüber. Sie meinte, ich sollte auch die Gavarni-Drucke behalten. Sie hatte beschlossen, in Frankreich zu leben und einen Franzosen zu heiraten. Ich kannte ihn nicht. Er hieß Yves und war ein Bretone mit einem alten Adelsnamen.
Die paar Wochen, die ich nach meinem Weggang aus der Agentur zu Hause arbeitete, kamen mir endlos vor. Ich konnte mich an die Werktage nicht gewöhnen. Von Montag bis Freitag hörte ich tagsüber Straßenlärm, der mir völlig neu und ungewohnt war. Ich hörte, wie Frauen sich unterhielten, hörte Milchmänner und
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