Ambler by Ambler
herauszufinden.
Einige waren Royalisten, merkwürdige Leute, deren Eltern seinerzeit mittlere Beamte oder Höflinge des letzten Sultans Mehmed, des Sohns Abdulhamids, gewesen waren. Zum Teil waren es Offiziersfamilien von inzwischen älteren Jungtürken, die sich der falschen Seite angeschlossen oder sich sonstwie politisch unklug verhalten hatten. Zum größten Teil waren es Politiker-, Anwalts- und Geschäftsfamilien, die sich lieber rasch verdrückt hatten, als sich den ehrgeizigen Reformbestrebungen der Kemalisten zu unterwerfen. Einige, zumeist jene, die im Osmanischen Reich Land besessen hatten, sprachen davon, irgendwann einmal in ihre Heimat zurückzukehren. Ein oder zwei hatten es sogar versucht. Ihre Kinder lagen aber im allgemeinen an den Stränden zwischen Nizza und Monte Carlo herum und schwammen oder fuhren oben in den Bergen Ski. Eine alte Tante, die zu dieser Familie gehörte, war sehr aufgeschlossen und freundlich, und besonders nützlich fand ich ihre Informationen über die kleinen Hotels in den Seitenstraßen von Nizza.
Mit dem Schnee schmolzen auch die Gäste dahin. Allan Collins von Curtis Brown schrieb mir aus New York, Knopf habe von Nachruf auf einen Spion keine gute Meinung, weil es ganz anders sei als Ungewöhnliche Gefahr und die Rezensenten verwirrte. Falls ich darauf bestünde, würde er auf Knopf einwirken, das Buch zu nehmen, aber vielleicht sei es besser, noch etwas zu warten. Mit Anlaß zur Unruhe sei ich ja fast fertig, und vielleicht würde dieses Buch Knopf besser gefallen. Er sei ein Verleger, an dem man, wenn irgend möglich, festhalten sollte.*
Es gab auch Tröstliches. Von Curtis Brown in London kam die Nachricht, die Ealing Studios hätten für die Filmrechte zu Nachruf auf einen Spion dreihundert Pfund geboten. Hettie Hilton, die für die Filmrechte zuständig war, meinte, ich solle das Angebot annehmen. Was ich auch tat.
Anlaß zur Unruhe hatte ich inzwischen fertig, und ich fuhr nach London, um das Manuskript tippen zu lassen. Während meines Aufenthalts dort erfuhr ich von Hettie Hilton, daß Alexander Korda von mir ein Drehbuch für Conrad Veidt geschrieben haben wolle. Ich fuhr hinaus nach Denham und sprach mit Alex. Ich habe ihn immer sympathisch und charmant gefunden, aber diesmal hatte er sich eine schlechte Geschichte ausgedacht. Ein Flugzeug mit lauter interessanten und zwielichtigen Passagieren wird zu einer Notlandung an der Maginot-Linie gezwungen. Ich bräuchte bloß ein paar phantastische Figuren zu erfinden und das Ganze mit Spannung zu versehen.
Ich schrieb die Geschichte, die er haben wollte, wenn auch schweren Herzens. Ich gab ihr den Titel The Commandant . Zum Glück ging sie unter. Conrad Veidt, der Ärmste, starb. Er hätte die Titelrolle übernehmen sollen.
Anlaß zur Unruhe wurde in London und in New York gut aufgenommen. Besonders erfreut war Alfred Knopf. Kapitel siebzehn wollte er jedoch zur Gänze streichen. Er hoffte, ich würde seine Ansicht teilen, daß es eigentlich nicht unbedingt notwendig sei und daß sich das Buch ohne dieses Kapitel leichter lesen würde.
Zuerst konnte ich ihn noch verstehen. Dann kamen die Zweifel. Ich fragte Leonard Cutts nach seiner Ansicht.
»Kapitel siebzehn ist zufälligerweise das Beste am ganzen Buch«, sagte er starrsinnig. »In der englischen Ausgabe wird es unter keinen Umständen weggelassen. Jetzt weißt du, wie’s in der amerikanischen Buchbranche zugeht. Mit sowas mußt du immer rechnen. Mistbande!«
Ich bin nicht sicher, ob das tatsächlich der Ausdruck war, den er gebrauchte, aber es war irgend etwas in der Richtung. Etwas scharfsinniger war wohl seine Theorie, Alfreds Brief sei von einem Lektor formuliert worden, der das Vertrauen der Knopfs genoß. Ich fühlte mich unfähig, eine leidenschaftliche Auseinandersetzung über Kapitel siebzehn zu führen, ob nun dafür oder dagegen. Für derartige Diskussionen, sofern es um meine eigenen Bücher geht, habe ich mich noch nie geeignet. Ich schreibe immer mehrere Fassungen, und wenn die letzte fertiggestellt ist, dann habe ich mit dem Buch abgeschlossen. Es liegt mir am Herzen, durchaus, aber es gibt nichts mehr, was ich dann noch tun könnte.
Anlaß zur Unruhe wurde später im Jahr in den Vereinigten Staaten herausgebracht, und zwar ohne das Kapitel siebzehn der Originalfassung. Anscheinend machte es überhaupt nichts aus. Allan Collins schrieb mir, bei mgm habe man die Fahnen gelesen und Interesse an den Filmrechten gezeigt. Wir sollten das Beste
Weitere Kostenlose Bücher