Ambler by Ambler
gingen ein paar von uns noch auf einen Imbiß ins ›Flore‹. Dann widmete Brian mir einen seiner nachdenklichen Blicke.
»Mein Lieber«, sagte er, »es gibt doch eigentlich keinen Grund, warum wir nicht ein Taxi nehmen und im ›Bricktop‹ noch einen Brandy trinken sollten, oder? Nein, du nicht!« fügte er scharf hinzu, als Toni etwas sagen wollte, »du hast gestern nacht zuviel getrunken. Wenn ich zurück bin, schläfst du bestimmt schon ganz tief!« Er sah mich wieder an. »Na?«
»Hat das ›Bricktop‹ montags nicht zu?«
»Mein Lieber, du darfst das nicht so eng sehen. Es gibt Dutzende von ›Bricktops‹ und ›Harry’s Bars‹, die jede Nacht offen haben. Wenn bei Madame Bricktop zu ist – einer ihrer Freunde wird schon auf haben.«
Natürlich hatte er recht. Mehrere gemütliche Bars mit pseudoenglischen Namen auf dem Montmartre hatten auf. Wir besuchten die meisten. Gegen zwei Uhr morgens unternahm Brian seinen ersten Versuch.
»Es heißt, du hättest die Filmrechte zu einem deiner Bücher nach Hollywood verkauft.«
»Stimmt. Du meinst, ich hätte der Versuchung widerstehen sollen?«
»Nicht doch, mein Bester, du markierst den Schlauen. Steht dir nicht. Ist es um Millionen gegangen?«
»Nein. Bloß um Hunderte.«
»Tja, vielleicht hättest du doch ablehnen sollen. Trotzdem, Hunderte sind gar nicht übel. Würde es dir sehr viel ausmachen, wenn ich dich bäte, mir fünfzig Pfund zu leihen?«
»Leihen? Ausgeschlossen.«
»Ach du liebes bißchen, jetzt hab ich dich gekränkt. Wenn’s um Geld geht, sind manche Leute ganz komisch und verhalten sich so merkwürdig. Weiß gar nicht, warum.«
»Ich bin nicht gekränkt, Brian. Wenn du die fünfzig Pfund dringend brauchst, dann schenke ich sie dir, aber leihen werde ich sie dir nicht. Du würdest sie nie zurückzahlen.«
Jetzt hatte ich ihn zutiefst gekränkt. Er leerte sein Glas und knallte es auf den Tisch. »Du bist wirklich ein stinknormaler kleiner Mann, stimmt’s?« sagte er und lächelte süß.
»Klar«, sagte ich und rief nach der Rechnung.
Er starrte mich aggressiv an. »Ich sag dir eins, mein Freundchen. Ich werd dich nicht eher gehen lassen, bis ich einen Scheck über fünfzig Pfund bekommen habe.«
»Fabelhaft.«
»Es wird ein Darlehen sein.«
»Auf dem Scheck wird nicht stehen, was es ist. Morgen fahre ich nach London zurück. Wenn du Lust hast, kannst du mir ja einen Brief dorthin schreiben, ein Rückzahlungsversprechen.«
Er schrieb mir nach England, um mir noch einmal zu sagen, daß es ihn nie überrasche, wenn Menschen sich komisch verhielten, wenn es um Geld gehe. Er könne das verstehen, und er könne vergeben. Ich habe erst Jahre später wieder von ihm gehört.
Anlaß zur Unruhe wurde von Hodder für den Herbst angekündigt. Das öffentliche Interesse konzentrierte sich aber auf das, was die Nazis mit dem Sudetenland anstellten und was sie, vermutlich bald, mit der Tschechoslowakei anstellen würden. Neville Chamberlain hatte sich in Berchtesgaden mit Hitler getroffen. Eine Woche später war er zu einer zweiten Begegnung nach Bad Godesberg geflogen. Europa stand am Rande eines Krieges. In der folgenden Woche war auch Mussolini mit von der Partie, und es wurde bekanntgegeben, Hitler habe ihn eingeladen, an einer Konferenz mit ihm, Daladier und seinem Freund Chamberlain teilnehmen. Die Konferenz sollte in München stattfinden. Wer scherte sich da noch um Romane. Allenfalls Kritiker lasen das Zeug.
Es war eine merkwürdige Zeit. Kaum ein vernünftiger Mensch, und nur eine kleine Schar törichter Politiker, glaubte, daß sich der Weltkrieg auf unbestimmte Zeit verschieben ließe. Die Gräben in den Parks wurden ja nicht zum Vergnügen ausgehoben, und auch die Gasmasken in den Behältern waren kein Kinderspielzeug. Und doch taten fast alle, sogar die Verbittertsten unter den Emigranten, als gäbe es noch Hoffnung. An zwei erinnere ich mich besonders gut. Der eine war ein Journalist aus Prag namens Czissar, der andere ein deutscher Historiker, Herbert Rozinski. Beide waren in ihrer Heimat sehr geachtete Leute. Beide standen auf der schwarzen Liste der Nazis und würden umgebracht werden, falls sie in die Hände der Gestapo fielen oder in die Hände der immer zahlreicheren Menschen, die die Befehle der Gestapo erhielten und ausführten. Czissar war ein aufrechter Tscheche und ein unerschrockener, kluger Redakteur. Rozinski hatte eine bekannte Geschichte der deutschen Wehrmacht geschrieben und war auf diesem Gebiet eine weltweit
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