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Ambler by Ambler

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Titel: Ambler by Ambler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler by Ambler
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hoffen.
    Ich fuhr zurück nach Nizza, um mehr über die dortige Türkenkolonie herauszufinden. Im Zug machte ich ein paar Notizen über das Buch, das ich schreiben wollte. Als erstes entwarf ich eine Karte von Europa, die, bedingt durch das Schaukeln des Zuges, ziemlich krakelig aussah. Quer hindurch verlief (noch krakeliger) eine Linie von Istanbul über Izmir, Athen, Sofia, Genf, Belgrad bis nach Paris. Die Hauptperson würde ein Verbrecher sein, den ich vielleicht Demetrius oder Dimitrios nennen würde. Die Schreibweise könnte man später noch festlegen. Wenn ich die Handlung in der Türkei anfangen lassen wollte, und wenn ich ein seriöser Schriftsteller sein wollte, dann müßte ich natürlich in die Türkei fahren. Aber was sollte ich dort? Ich war nicht seriös. Ich kannte niemand dort. Ich sprach kein Wort Türkisch. Ich war nicht der Typ, der mit Botschaftern befreundet ist und Dolmetscher engagiert. Ich war ein Niemand. Andererseits gab es in Nizza Türken, die Französisch genauso schlecht sprachen wie ich und mit denen ich mich unterhalten konnte.
    Das Hotel, für das ich mich entschied, gehörte Belgiern, aber es war eines dieser in den Seitenstraßen gelegenen türkischen Stammquartiere, von denen die alte Tante in Peïra-Cava gesprochen hatte. Ich wurde reich belohnt. Emigranten mögen nicht immer die Wahrheit über ihre Heimatländer sagen, aber sie erzählen gerne von ihnen. Sie erzählen viel, und man muß nicht unbedingt auf das gesprochene Wort achten. Die Musik, die in der Sprache liegt, reicht manchmal völlig aus. Es kann jener undeutliche Schmerz in den Augen eines Mannes sein, der sich an etwas erinnert, aber nicht darüber spricht. Voller Stolz zeigte mir eine Frau einmal die Aufnahme eines alten Holzhauses am Nordufer des Bosporus, das früher ihren Eltern gehört hatte. Ich war beeindruckt. Was aber meine Aufmerksamkeit erregte, war oben an der Hausecke eine Stahlschelle mit Porzellanisolatoren, über die die Telefonleitung geführt wurde. Diese Schelle an der Holzwand wirkte irgendwie deplaziert. Es war ein Bild, das sich mir deutlich einprägte und später wieder einfiel, als ich ein Istanbuler Leichenschauhaus beschreiben wollte. Für mich war diese Stadt noch immer Byzanz. Wie ließ sich Verfall treffender beschreiben als durch das Bild von alten Holzhäusern mit Telefonleitungen oder alten Steinhäusern, die der Zeit noch immer trotzten, aber inzwischen mit Wellblechdächern versehen waren!
    Da ich in Nizza zuviel über die Türkei erfuhr, kehrte ich nach Paris zurück, um dort zu arbeiten. Betty und Yves waren da und empfahlen mir wärmstens das Hotel ›Libéria‹ in der Rue de la Grande Chaumière, gegenüber der Kunstakademie. Es war noch warm, und so fiel mir kaum auf, daß Heizung und Warmwasser nicht funktionierten. Das Hotel war ziemlich ruhig und nicht weit von ›La Coupole‹, wo man gut essen konnte. Ich machte mich an die Arbeit. Ich nannte das Buch Die Maske des Dimitrios . Ein- oder zweimal wurde ich unterbrochen. Allan Collins teilte mir mit, mgm habe für die Filmrechte zu Anlaß zur Unruhe dreitausend Dollar geboten. Abzüglich Kommission und us -Einkommenssteuer waren das knapp achthundert Pfund. Den Vertrag würde ich mit dem mgm -Büro London abschließen und notariell dort beglaubigen lassen müssen. Es gab auch noch andere Gründe, nach London zu fahren. Ich hatte neue Freunde, Victor Canning beispielsweise, und Charles Rodda (ein Australier, der unter dem Pseudonym Gavon Holt Thriller schrieb), und alte Bekannte wie Vere Denning, die inzwischen mit John French verheiratet war. Vere lud ich in die Austerplus-Champagner-Bars ein, die ich mir jetzt leisten konnte. Zu tun hatte ich auch: Ich mußte mich über Dimitrios sachkundig machen.
    Das meiste der benötigten Informationen bekam ich bei der ›Times‹ am früheren Printing House Square (am unteren Ende der Queen Victoria Street). Dort konnte man zu einem breiten Mahagonischalter gehen und sich die älteren Ausgaben der ›Times‹ in stattlichen, etwa zehn Zentimeter dicken, ledergebundenen Sammelbänden vorlegen lassen. Man gab das Jahr und den Monat an und wurde bei der Suche nach Informationen von wachsamen, fürsorglichen Männern und Frauen beobachtet. Fotokopien waren damals natürlich nicht möglich. Man bestellte Lichtpausen. Die meisten Leute hatten ein Notizbuch dabei und machten sich Aufzeichnungen. Wenn irgend jemand versucht hätte, aus diesen alten Zeitungen eine Ecke herauszureißen, hätte

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