Ambler-Warnung
würden die Knallfrösche Amblers vereitelten Plan ans Licht bringen. Aber es war schon zu viel Zeit vergangen. Der Rettungswagen hatte inzwischen neugierige Spaziergänger angelockt. Ambler schloss die Hintertür und begann, Deschesnes zu entkleiden. Er nahm die Blutbeutel und die Knallfrösche ab und wischte die Flüssigkeit von Deschesnes Brust.
Jetzt hämmerte jemand an die Tür des Krankenwagens. Er schreckte auf.
»Ouvrez la porte! C’est la police!«
Was sollte das denn? Wollte der Polizist etwa mit ihnen ins Krankenhaus fahren? War das hier üblich? Das konnte Ambler auf keinen Fall zulassen. Wie würde der Beamte wohl auf zwei Amerikaner und eine Leiche in einem gestohlenen Krankenwagen reagieren?
Ambler kletterte hastig nach vorne und setzte sich auf den Fahrersitz. Der Motor lief immer noch. Ursprünglich hatten sie geplant, zum Bois de Boulogne zu fahren, wo Deschesnes seinen Mietwagen geparkt hatte. Aber das hatte jetzt keinen Sinn mehr. Sie mussten ein Versteck finden. Er legte den Gang ein. Er hatte jetzt wirklich keine Zeit für einen Plausch mit der Gendarmerie.
Ambler warf im Rückspiegel einen Blick auf die Szene hinter ihm. Ein Polizist brüllte ärgerlich in sein Funkgerät. Am Rand des Parks stand abseits der Schaulustigen die Brünette im halblangen Mantel, die ihr Handy am Ohr hatte. Ambler hoffte, dass sie nur über eine erfolgreich beendete Mission berichtete. Und dann bemerkte er aus dem Augenwinkel etwas, das ihm einen kalten Schauer über den Rücken jagte.
Zehn Meter hinter Fentons Agentin stand inmitten einer neugierigen Menschenmenge ein Mann, den er lieber nicht erkannt hätte. Ein Chinese. Ein zierlicher, gut aussehender Chinese. Der Scharfschütze aus dem Plaza-Hotel.
Kapitel siebzehn
Washington D.C.
Das US-Außenministerium in der C Street 2201 bestand eigentlich aus zwei miteinander verbundenen Einzelgebäuden. Eines stammte aus dem Jahr 1939, das andere war 1961 gebaut worden. Das ältere also vor dem Beginn eines Weltkriegs, das neuere aus der schlimmsten Phase des Kalten Kriegs. Jede Organisation hat ihre geschichtsträchtigen Orte, an denen institutionelle Erinnerungen gepflegt werden, die außerhalb dieser Mauern längst in Vergessenheit geraten sind. Viele Hörsäle und Konferenzräume des Außenministeriums trugen die Namen längst verstorbener Amtsträger. Zum Beispiel der Loy-Anderson-Room, der nach einem hochgeschätzten Fachmann für Nahost- und Afrika-Angelegenheiten aus den vierziger Jahren benannt war, oder die John-Foster-Dulles-Hall, deren Namenspatron im Kalten Krieg US-Außenminister gewesen war. Tief in den Eingeweiden des neueren Gebäudes befanden sich abgesicherte Tagungsräume, die keine Namen bekommen hatten, sondern nur anhand von Kennziffern und Kennbuchstaben identifiziert wurden. Der sicherste Tagungsraum wurde als Raum 0002A bezeichnet. Ein Besucher, der sich zufällig in den Keller verirrte, hätte ihn wahrscheinlich für eine Werkstatt der Hausmeister gehalten, genau wie die Räume, die an ihn grenzten. Das Konferenzzimmer lag in einem unterirdischen Flur mit Wänden aus grau gestrichenen Schlackensteinen. An der Decke verliefen Kupferrohre und Kabelleitungen aus Aluminium, nackte Leuchtstoffröhren erhellten den Gang mit ihrem kalten Licht.
Besprechungen, die dort stattfanden, wurden nicht beim Catering-Service angemeldet; in den 000-Räumen durfte man weder auf Gebäck noch auf Kekse oder Sandwichs hoffen. Diese Konferenzen waren schwer zu ertragen, also vermied man alles, was sie unnötig in die Länge hätte ziehen können.
Das Thema der Besprechung an diesem Morgen war allen Beteiligten überaus unangenehm.
Ethan Zackheim, der Vorsitzende des frisch zusammengestellten Teams, beobachtete die acht Leute am Tisch aufmerksam. Er suchte nach Anzeichen für unausgesprochene Vorbehalte. Er wusste, dass »Groupthink« – die Tendenz von Gruppenmitgliedern, sich einander anzuschließen und einer einheitlichen Interpretation zuzustimmen, mochten die Beweise auch noch so zweifelhaft, ungreifbar und zweideutig sein – sehr kontraproduktiv sein konnte.
»Sind sich alle über die Einschätzungen einig, die wir bisher gehört haben?«, fragte er.
Nur zustimmende Äußerungen wurden laut.
»Abigail«, wandte sich Zackheim an eine starkknochige Frau, die eine hochgeschlossene Bluse trug. »Bist du sicher, dass du die Daten der Signals Intelligence richtig gedeutet hast?«
Sie nickte. Ihr brauner Pony war steinhart gesprüht und
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