Ambler-Warnung
gemacht.«
Laurel holte tief Luft und atmete zitternd aus. »Du hast nur eines ausgelassen. Aber vielleicht warst du auch nur zu höflich, es mir zu sagen«, sagte sie leise. Ihre Stimme schwankte. Ihre Augen waren nur Zentimeter von den seinen entfernt, und er sah, wie sich ihre Pupillen weiteten.
Ambler presste seinen Mund auf ihren und umschlang sie in einer langsamen, endlosen Umarmung, die beinahe schon ein Liebesakt war. »Manches spricht man besser nicht aus«, flüsterte er nach einer Weile und er spürte – nein, er wusste –, dass die Wärme, die ihn durchströmte, auch sie einhüllte, wie ein Sonnenaufgang war, der sie erleuchtete und erglühen ließ.
Als sie später schweißbedeckt zwischen zerwühlten Decken nebeneinanderlagen, blickte sie zur Decke hinauf und begann zu sprechen: »Mein Dad war Vietnam-Veteran.« Ihre Stimme klang, als sei sie sehr weit fort. »Ich glaube, er war ein guter Mann, aber irgendwie beschädigt, fast wie mein Ehemann später. Vielleicht denkst du, dass mich solche Typen anziehen, aber das stimmt nicht. Es war einfach mein Schicksal.«
»Hat er deine Mom geschlagen?«
»Niemals«, sagte sie scharf. »Kein einziges Mal. Er hätte sie für immer verloren, wenn er die Hand gegen sie erhoben hätte. Und das wusste er auch. Man redet immer von unkontrollierbarer Wut, aber Wut ist fast immer kontrollierbar. Die Flut schießt den Strand hinauf, aber die Sandsäcke halten sie auf.
Die meisten Menschen haben solche Sandsäcke in ihrem Leben. Dinge, die sie niemals sagen oder tun werden. Mein Vater wuchs auf einer Milchfarm auf, und wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er mir einen Melkschemel in die Hand gedrückt, sobald ich laufen konnte. Aber er musste seine Familie ernähren und sich deshalb der wirtschaftlichen Realität stellen. Also wuchs ich in einem Vorort von Norfolk in Virginia auf. Er arbeitete in einer Fabrik. Meine Mutter war Sprechstundenhilfe in einer Arztpraxis.«
»Vielleicht hast du deshalb zur Medizin gefunden.«
»Zumindest in einen Außenbezirk der Medizin.« Laurel schloss die Augen. »Der Ort, an dem ich aufwuchs, war nichts Besonderes, aber die Schule war gut, förderte künstlerische Begabung, und das war meinen Eltern wichtig. Sie dachten, ich hätte Talent. Mom wollte mich unbedingt fördern, vielleicht war es ihr sogar zu wichtig. Ich merkte ihr an, dass sie gehofft hatte, Dad würde mehr aus seinem Leben machen. Sie drängte ihn immer dazu, um eine Beförderung oder eine Gehaltserhöhung zu bitten. Eines Tages sprach sie mit seinen Kollegen aus der Fabrik – vielleicht bei einem Kuchenverkauf in der Schule oder so –, und die machten ihr dann wohl klar, dass Dad nur aus Menschenfreundlichkeit in der Fabrik beschäftigt wurde. Wegen Vietnam wahrscheinlich. Also war mit einer Beförderung nicht zu rechnen. Ich wusste damals nicht, was passiert war, aber Mom veränderte sich danach. Zuerst war sie traurig und später ging sie die Sache ganz pragmatisch an. Sie hatte ihn zwar aufgegeben, aber da sie sich das Ganze selbst eingebrockt hatte, musste sie es auch auslöffeln.«
»Aber dich gab sie nicht auf.«
»Ich war ihre letzte Hoffnung, genau.« Ein Hauch von Bitterkeit schwang in ihren Worten mit. »Und als ich meinen ersten Oscar gewann und ihr vor einer Milliarde Fernsehzuschauern
dankte, tja, da erfüllten sich alle ihre Wünsche und Träume.«
»Sie ist tot, stimmt’s?«, fragte Ambler sanft. »Beide sind tot.«
»Sie war wahnsinnig stolz auf mich, als ich die Maria in einer Highschool-Aufführung von West Side Story spielte«, sagte Laurel mit belegter Stimme. Ambler sah, dass ihre Augen feucht geworden waren. Sie drehte sich zu ihm um, aber ihre Augen blickten nach innen, auf ein längst vergangenes Ereignis, das nun wieder präsent war. »Ich höre immer noch, wie mein Dad jubelte und pfiff, als der Vorhang fiel. Es passierte auf der Heimfahrt.«
»Du musst es nicht erzählen, Laurel.«
Tränen liefen ihr die Wangen hinunter und benetzten das Kissen unter ihrem Kopf. »An einer Kreuzung war Glatteis. Ein städtischer Mülllaster hatte sich quer gestellt, und Dad war einfach nicht aufmerksam genug. Er hatte ein paar Bier getrunken, und sie waren beide glücklich. Er fuhr einen Firmenlaster voller Werkzeugmaschinen, und als er den Laster rammte, blieb der Wagen stehen, aber die Werkzeugmaschinen nicht. Das ganze schwere Zeug schoss nach vorne, meine Eltern wurden zerquetscht. Sie lagen noch zwei Tage im Koma, dann gaben sie auf
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