Ambler-Warnung
klingelte und wartete dann beinahe eine volle Minute, während der sein Gesicht wahrscheinlich durch eine versteckte Kamera oder einen Türspion gründlich überprüft wurde. Dann erklang ein tiefer Summton, und das Schloss knackte. Er drückte die Klinke und ging in das mit Teppichboden ausgelegte Foyer.
Der Flur war leer. Eine schmale Treppe zu seiner Rechten war mit einem teuer aussehenden Läufer bedeckt, der mit Messingbeschlägen an den Stufen befestigt war. Aus einem Lautsprecher am Fuß der Treppe erklang Fentons Bariton, der über die Sprechanlage blechern wirkte: »Ich bin unten. Am Ende des Flurs.«
Ambler ging durch eine schmale Tür und stieg eine weitere enge Treppe hinunter. Sie endete vor geschlossenen Doppeltüren. Ambler klopfte.
Paul Fenton öffnete die Tür und führte ihn in eine Art Studierzimmer. Auf jeder verfügbaren Fläche standen Bücher aufgereiht. Keine Dekorationsobjekte, sondern viel und oft gelesene Werke: Manche waren zerfleddert, viele vergilbt und alt.
»Setzen Sie sich«, sagte Paul Fenton geschäftsmäßig. Er deutete auf einen Bürostuhl auf Rollen und nahm selbst in einem metallenen Klappstuhl Platz.
»Hübsch haben Sie’s hier«, sagte Ambler. Er war seltsam ruhig. Den Krankenwagen hatten sie in einem vollautomatischen Parkhaus abgestellt. Im Hotel Beaubourg hatte sie bei ihrer Rückkehr niemand eines zweiten Blickes gewürdigt, und so waren sie wieder in die Normalität zurückgekehrt.
Jetzt, in dem ein wenig bizarren Reich des Milliardärs, fühlte sich Ambler nur betäubt.
»Sie finden das bloß hübsch«, erwiderte Fenton, »aber dies ist eine beinahe exakte Replik des Büros von Pierre du Pré im College de France. Und die Räume oben sind eine beinahe exakte Replik der Praxis eines Zahnarztes hier im Montparnasse. Beinahe ein Filmset. Ich habe zwei Technikern den Auftrag erteilt, weil ich einfach wissen wollte, ob sie es schaffen. War nicht einfach, das kann ich Ihnen sagen.«
»Tja, man sagt ja, dass vier Augen besser sehen als zwei«, sagte Ambler und drehte sich langsam auf seinem mit Vinyl bezogenen Hocker. »Sie dachten wahrscheinlich auch, dass zwei Augen besser zielen als eins.«
»Wie bitte?«
Bemüht lässig sah Ambler den Magnaten direkt an. »Es hat mich ein bisschen überrascht, dass Sie noch einen zweiten Schützen im Jardin du Luxembourg postiert haben – und zwar, ohne es mir zu sagen. Sie wollten sich damit vielleicht absichern, aber meiner Meinung nach ist das kein durchdachtes Vorgehen. Vielleicht hätte ich ihn für einen Feind gehalten und aus Versehen erschossen.«
»Hab keine Ahnung, wovon Sie sprechen«, sagte Fenton mit leicht verwirrter Miene.
Ambler durchbohrte ihn mit seinen Blicken: »Ich will damit sagen, dass ich nicht mit Back-ups arbeiten, von denen ich nichts weiß.«
»Was für Back-ups?«
Ambler suchte in Fentons Miene nach einem Anzeichen dafür, dass er log, nach dem kleinsten Aufblitzen von Unsicherheit. Er fand jedoch nichts. »Und was den chinesischen Herrn angeht ...«
»Welchen chinesischen Herrn?«, unterbrach ihn Fenton verständnislos.
Ambler blieb einen Augenblick stumm. »Sie haben keine Ahnung, wovon ich spreche, stimmt’s?«, fragte er schließlich.
»Ich fürchte, da haben Sie recht«, sagte Fenton. »War noch jemand an Ihrem Einsatzort, Tarquin? Muss ich mir Sorgen machen? Wenn es ein Sicherheitsleck gab, müssen Sie mir das sagen.«
»Glauben Sie mir, wenn das der Fall wäre, würde ich Sie natürlich sofort informieren«, antwortete der amerikanische Agent geschmeidig. »Nein, machen Sie sich keine Sorgen. Ich verstehe natürlich, dass Sie Beobachter vor Ort eingesetzt haben.«
»Das ist doch reine Routine«, protestierte Fenton.
»Kein Problem. Bei den Stab-Jobs kannte ich alle Beteiligten, aber das ist schließlich schon lange her. Vergeben Sie einem alten Wolf seine übergroße Vorsicht. Kein Grund zur Beunruhigung, wirklich.«
»Gut«, sagte Fenton. Sein Erfolg rührte hauptsächlich von seiner Fähigkeit her, sich voll und ganz auf eine Sache zu konzentrieren – und dabei alle störenden Details auszublenden, die ihm irrelevant erschienen. »Einen Moment lang habe ich mir Sorgen um Sie gemacht, aber Sie haben Ihren Ruf sogar noch übertroffen. Sehr gute Arbeit. Sie haben den Auftrag schnell und sauber erledigt und dabei Einfallsreichtum, Schnelligkeit und Entschlusskraft gezeigt. Spitzenkaliber. Ich glaube, Sie haben eine große Zukunft in meinem innersten Kreis vor sich. An der Spitze
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