Ambler-Warnung
Vorgesetzten betrachteten ihn als zuverlässigen Manager, der sich bis jetzt noch keinen Schnitzer geleistet hatte. Er war die Karriereleiter so weit hinaufgeklettert, wie er wollte, und verspürte keinerlei Ehrgeiz, seine Stellung zu verbessern. Ambler kannte ihn nicht persönlich, hatte aber schon viel von ihm gehört und beabsichtigte nicht, dem berüchtigten Mann unter die Augen zu kommen.
Alles lag nun in Laurels Hand.
War das ein Fehler gewesen? Gefährdete er sie dadurch? Ihm war einfach keine andere Möglichkeit eingefallen, um das zu erledigen, was er erledigen musste.
Er setzte sich in ein nahes Café und sah auf die Uhr. Wenn Laurel Erfolg gehabt hatte, müsste er jeden Augenblick die Resultate sehen können.
Und wenn sie es nicht geschafft hatte? Kalte Angst überkam ihn. Er hatte ihr genaue Anweisungen gegeben, und sie hatte sie sich gründlich eingeprägt. Aber sie war kein Profi. Würde sie es schaffen, zu improvisieren und unerwartete Komplikationen zu meistern?
Wenn alles nach Plan gelaufen war, dann hatte sie bereits von der amerikanischen Botschaft in der Avenue Gabriel 2 im Cons-Ops-Büro angerufen. Selbst dort anzurufen, wagte er nicht, weil er fürchtete, dass die Telefonzentrale des Konsulats vielleicht über Einrichtungen zur Stimmerkennung verfügte. Hatte Laurel es geschafft?
Sie hatten verschiedene Szenarien durchgesprochen, verschiedene Tarnungen, alle möglichen Eventualitäten. Sie sollte sich bei der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit als persönliche Assistentin eines bekannten Museumskurators vorstellen, der am International Partnership Among Museums Program teilnahm und sie geschickt hatte, um die Tagesordnung einer bevorstehenden Konferenz zu holen. Ein einfacher, vager Vorwand.
Es war einfach gewesen, sich genug plausible Details von der Website der Botschaft zu beschaffen. Ambler wusste außerdem, dass die Abteilung für kulturelle Angelegenheiten in der Botschaft so lausig organisiert war, dass dort so gut wie gar nichts klappte. Und darauf zählte er. Die Angestellten traten sich dauernd gegenseitig auf die Füße und erledigten ihre Verwaltungsaufgaben entweder doppelt und dreifach oder gar nicht. Die Assistentin des Kurators würde in den vierten Stock geschickt werden, während man sich um das offenbar entstandene Missverständnis kümmerte. Und dort würde sie
darum bitten, von einem privaten Telefon aus mit ihrem Chef sprechen zu dürfen, um die Sache zu klären.
Dann sollte Laurel die Nummer wählen, die er ihr gegeben hatte, und in dem speziellen Jargon, den er ihr eingetrichtert hatte, mit einer dringenden Bitte um ein Treffen an Keith Lewalski herantreten. Ein Amtsträger des Außenministeriums sei eingetroffen, und Mr. Lewalski solle sofort einen Lagebericht erstatten. In der Konsulatsabteilung würde man erkennen, dass der Anruf aus der amerikanischen Botschaft kam. Die spezielle Formulierung würde die Dringlichkeit der Angelegenheit noch unterstreichen.
Laurels Auftrag erforderte zwar keine schauspielerische Höchstleistung, aber äußerste Präzision. Würde sie es schaffen? Hatte sie es geschafft? Hatte sie Erfolg gehabt?
Ambler sah wieder auf die Uhr und versuchte, nicht daran zu denken, was alles schiefgehen konnte. Fünf Minuten später beobachtete er mit großer Erleichterung, wie ein alternder, fetter Bürokrat mit gehetzter Miene aus der Rue Saint-Florentin 2 trat und in eine Limousine stieg. Sie hatte es geschafft.
Jetzt war er an der Reihe.
Sobald die Limousine um die Ecke gebogen war, marschierte Ambler mit der Haltung eines entschlossenen, aber erschöpften Mannes in das Gebäude. »Passanträge links, Visaanträge rechts«, sagte ein gelangweilt aussehender Mann in Uniform. Er saß an einer Art Lehrerpult, auf dem eine Tasse voller kurzer Bleistifte ohne Radiergummis stand. Ambler wettete, dass hier jeden Tag mindestens ein paar Dutzend davon verbraucht wurden.
»Dienstliche Angelegenheit«, grunzte Ambler den Uniformierten an, der ihn mit einem kurzen Kopfnicken nach hinten winkte. Ambler ignorierte die Schlangen an den anderen
Schaltern und ging direkt zu dem Schild »Offizielle Anfragen«. Eine stämmige junge Frau saß hinter dem Tresen und kreuzte gerade die Kästchen in einem Bestellformular für Bürobedarf an.
»Ist Arnie Cantor hier?«, fragte Ambler.
»Momentchen«, sagte die Frau. Er beobachtete, wie sie durch eine Hintertür verschwand. Kurze Zeit später erschien ein tüchtig aussehender junger Mann hinter dem
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