Ambler-Warnung
überraschend fester Stimme zu. »Noch einen Schritt weiter, und er ist tot!«
Einige Sekunden war es still, dann folgte ein gedämpfter Wortwechsel zwischen den Schützen.
Ambler zog die kleine Glock 26 aus ihrem Halfter und drückte sie dem Revisor in die Hand. »Drücken Sie mir die an den Hinterkopf, okay?«
»Sie sind lustig«, flüsterte Caston. »Die erschießen mich doch sofort.«
»Vertrauen Sie mir. Sie machen Ihre Sache bisher sehr gut.«
Ambler sah, wie verwirrt und verängstigt Caston war, aber die beruhigenden Worte taten ihm trotzdem gut.
»Benutzen Sie meinen Körper als Schutzschild«, sagte Ambler. »Verbergen Sie sich möglichst ganz hinter mir. Ich muss immer zwischen Ihnen und denen stehen. Ich werde Ihnen helfen, aber Sie müssen das Manöver begreifen.«
»Aber die sind doch hinter Ihnen her. Was soll denn dieses Theater?«
»Vertrauen Sie mir bitte«, wiederholte Ambler. Es würde zu lange dauern, Caston die Methode hinter dem Wahnsinn zu erklären. Geiseln erschwerten Säuberungsaktionen ungemein. Bei all der Anspannung, die eine solche Operation begleitete, würde kein Mensch auf die Idee kommen, über die Identitäten von Geisel und Geiselnehmer zu grübeln. Egal, wie gut die Fotos waren, die man den Schützen vor dem Einsatz vorgelegt hatte. Es war etwas ganz anderes, sich in aller Ruhe ein Dia auf dem Lichttisch anzuschauen oder die Zielperson ins Rotpunktvisier zu nehmen. Jetzt waren diese Männer bewaffnet, Adrenalin pumpte durch ihre Körper, und sie wollten nur ihren Auftrag erledigen, ohne sich durch einen dummen Fehler die Karriere zu versauen. Und den Tod einer Geisel zu verursachen, konnte genau dieser Fehler sein. Wenn
sich einer wie ein Geiselnehmer verhielt, dann war er eben ein Geiselnehmer. Neben dieser lebendigen, gegenwärtigen Tatsache verblasste der Umstand, dass Haarfarbe und Größe nicht übereinstimmten.
Ambler flüsterte Caston weitere Anweisungen ins Ohr.
Schließlich holte Caston tief Luft. »Ich will mit eurem Einsatzleiter sprechen«, brüllte er. In normaler Gesprächslautstärke hätte seine Stimme vielleicht gezittert. Aber da er gezwungen war zu schreien, klang sie herrisch und bedrohlich.
Keine Reaktion von außen.
Ambler verzerrte seine Gesichtszüge zu einer Maske des Entsetzens und warf sich gegen die zerschossene Tür, als habe man ihn gestoßen. Caston verbarg sich hinter ihm. »Ich will nicht sterben«, winselte er und drückte sein Gesicht in das große, zackige Loch. »Bitte lasst nicht zu, dass er mich tötet. Ich will nicht sterben. Bitte ...« Seine weit aufgerissenen Augen schossen panisch hin und her: Er war ein hysterischer Zivilist, der einen grässlichen Albtraum erlebte.
Er sah nur die beiden Einsatzkräfte: muskulöse, dunkelhaarige Männer mit kantigen Kiefern. Offenbar hervorragend ausgebildet. Sie versuchten, an ihm vorbei in den dunklen Raum zu spähen, und realisierten gar nicht, dass ihre Beute sich buchstäblich vor ihrer Nase befand.
»Holt euren Einsatzleiter, ich will mit ihm sprechen«, wiederholte Caston mit lauter, selbstbewusster Stimme. »Sofort.«
Die zwei Männer tauschten einen Blick, und Amblers Pulsschlag beschleunigte sich. Der Einsatzleiter war nicht hier. Noch nicht. Die zwei Schützen waren allein. Schnelle Einsatzfähigkeit ging auf Kosten der Teamgröße. Zweifellos würde bald Verstärkung eintreffen, aber im Moment arbeitete das Duo noch ohne Back-up.
»Bitte, ich will nicht sterben«, wiederholte Ambler sein winselndes Mantra des Entsetzens.
»Es wird alles gut«, sagte der größere Mann mit leiser Stimme.
»Lassen Sie die Geisel frei«, brüllte der andere.
»Ich bin doch nicht bescheuert!«, schrie Caston sofort. Ambler war überrascht. Der Buchprüfer improvisierte.
»Wenn Sie die Geisel verletzen, sind Sie erledigt«, brüllte der zweite Mann zurück. Wie man mit einem Geiselnehmer verhandelt, lernte man zwar in der Grundausbildung, aber das Training war nicht besonders intensiv. Offenbar versuchte er, sich an die grundlegende Taktik zu erinnern.
Plötzlich fiel Ambler auf die Knie und brachte sich damit aus der Sichtlinie der Einsatzkräfte. »Au-Au!«, schrie er, als habe Caston ihn geschlagen.
Leise und hastig besprach er mit Caston das weitere Vorgehen. Sie durften sich keinen Fehler leisten. Caston schätzte Präzision. Sein konzentrierter Blick verriet, dass er davon auch in dieser Lage nicht abweichen würde. Wieder drückte Ambler sich an das gezackte Loch und streckte den
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