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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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lagen gut zusammengefaltet in der kleinen Reißverschlusstasche, die er über der Schulter trug. Er war vollkommen unauffällig.
    Hoffte er zumindest.
    Er hielt auf einem Parallelweg Schritt mit dem Watcher und folgte ihm in ungefähr zwölf Metern Entfernung bis zu einem Platz, auf dem sich alle möglichen Besucher – Tagesausflügler, Touristen, Kunsthistoriker, ja sogar Einheimische - versammelt hatten. Der junge Mann mit T-Shirt und Lederjacke kultivierte einen bewusst lässigen Schlendergang. Er sah flüchtig nach rechts und links. Nur wenigen Menschen, egal ob Profi oder nicht, wären die beinahe unsichtbaren Blicke des Erkennens und das unmerkliche Nicken
aufgefallen, mit denen eine große Frau zu seiner Linken und ein kleiner, schmächtiger Mann zu seiner Rechten auf ihn reagierten. Ambler schon. Auch sie waren Watcher. Er sah sich die große Frau noch einmal genauer an. Sie hatte mausbraunes, kurz geschnittenes Haar und trug eine gefütterte Jeansjacke. Wie viele Besucher hatte sie einen großen Skizzenblock und Zeichenkohle dabei, um die Inschriften auf den Grabsteinen »abzupausen«. Aber er sah sofort, dass sie schauspielerte. Ihre Blicke nahmen wachsam die gesamte Umgebung wahr, aber dem Stein vor ihr schenkte sie keinerlei Aufmerksamkeit.
    Das Gleiche galt für den schmächtigen Mann, der sein langes, an den Spitzen fettiges und verfilztes Haar in der Mitte gescheitelt trug. Er trug Kopfhörer und wippte mit einem unhörbaren Rhythmus mit. Aber Ambler wusste, dass die Übertragung, der er zuhörte, mit Musik nichts zu tun hatte. Über ein verstecktes Funkgerät konnte man ihm so jederzeit Anweisungen geben, und die Frau mit dem mausbraunen Haar musste ihm nur folgen. Als Ambler sich dem nächsten Mausoleumsplatz näherte, spürte er ein unangenehmes Kribbeln im Nacken.
    Noch mehr Watcher.
    Er spürte es mehr, als er es wahrnahm. Der zu intensive Blick eines Passanten, der zu schnell abgewandt wurde. Der augenscheinlich zufällige Augenkontakt, einen Sekundenbruchteil zu lang oder zu kurz. Er spürte es in dem flüchtigen Austausch von Gesten und Blicken zweier Menschen, die dem Anschein nach aus völlig verschiedenen Welten stammten und sich auch nicht zu kennen schienen.
    Er hatte das Gefühl, durch einen sozialen Organismus zu laufen – eine nur scheinbar unstrukturierte Ansammlung von Menschen, die durch unsichtbare Fäden miteinander verbunden
waren. Und diese Fäden zog ein ebenfalls unsichtbarer Puppenspieler.
    Ambler bekam eine Gänsehaut. Es hatte ihn nicht überrascht, ein paar Wachposten in Zivil vorzufinden. Für ein so hochrangiges Regierungsmitglied wie Fenton mussten schließlich einige Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden.
    Aber die Agenten, die er bisher entdeckt hatte, waren völlig falsch konfiguriert. Zumindest für die Art Rendezvous, die man ihm versprochen hatte. Es waren viel zu viele Agenten auf zu engem Raum. Sie waren viel zu kompliziert miteinander vernetzt. Die Leute waren an defensiv wertlosen Punkten platziert, eher so, als sollten sie jederzeit rasch eingreifen können. Die Muster, die er erkannte, waren ihm viel zu vertraut; als Stab-Agent hatte auch er seine Leute auch schon so positioniert. Und zwar unweigerlich als Vorbereitung für eine Entführung oder einen Mord.
    Ambler gefror das Blut in den Adern. Er riss sich zusammen und zwang sich zur Konzentration. Vor ihm übergab der Mann in der Lederjacke den Nylonrucksack gerade an zwei Männer mit versteinerter Miene, die dunkle Wollmäntel trugen. Sie nahmen das Paket in Empfang und eilten damit fort, zweifellos zu einem in der Nähe geparkten Einsatzwagen.
    Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder war das Treffen von gemeinsamen Feinden abgehört und infiltriert worden. Oder – und wie Ambler sich eingestehen musste, war das wahrscheinlicher - das ganze Rendezvous war von Anfang an eine Falle gewesen.
    Hatte Fenton ihn die ganze Zeit angelogen? Allein die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, versetzte Amblers Selbstbewusstsein einen empfindlichen Schlag. Aber er konnte es nicht ausschließen. Vielleicht war Fenton ja ein fantastischer Schauspieler
 – eine Art Method Actor, der sich beigebracht hatte, die Emotionen, die er darstellte, wirklich zu empfinden. Amblers Fähigkeit, Menschen zu durchschauen, hatte sich seiner Lebenserfahrung nach zwar als herausragend und geradezu unheimlich genau erwiesen, aber er machte sich keine Illusionen. Un fehlbar war er nicht. Man konnte auch ihn hinters Licht führen.

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