Ambler-Warnung
Vielleicht war Fenton aber auch nur benutzt worden. Das erschien ihm wahrscheinlicher. Es wäre unendlich viel leichter gewesen, Fenton zu belügen als Ambler.
Auch wenn er die genauen Umstände noch nicht kannte, wusste Ambler, dass er sich sofort zurückziehen musste. Das war das einzig Sichere. Es schmerzte ihn: Jedes Mitglied des Teams, das hier stationiert worden war, wusste vielleicht etwas, das Ambler erfahren wollte. Jeder Feind war eine potenzielle Informationsquelle. Aber alles Wissen nutzte ihm nichts, wenn er tot war. Wenigstens diese Wahrheit musste er akzeptieren.
Ambler beschleunigte seinen Schritt und bog nach rechts ab. Der Pfad würde ihn zur Metrostation Père Lachaise führen. Auf dem geraden, gepflasterten Weg schritt er sogar noch schneller aus, wie ein Geschäftsmann, der unbedingt seinen nächsten Termin einhalten wollte.
Zu spät erkannte er, was sie vorhatten. Die zwei bulligen Männer, die den Rucksack fortgebracht hatten und beinahe identische dunkle Wollmäntel trugen, näherten sich ihm von beiden Seiten und stellten sich ihm in den Weg. Sie klemmten Ambler zwischen ihren breiten Schultern ein und drehten ihn mit einer flüssigen, perfekt choreografierten Bewegung einmal um die eigene Achse.
»Je m’excuse, monsieur. Je m’excuse«, wiederholten sie laut. Ein Passant hätte nur drei gehetzte, geistesabwesende Geschäftsleute gesehen, die irgendwie übereinandergestolpert waren. Ambler wehrte sich verzweifelt und vergeblich. Die
beiden Agenten waren groß und breitschultrig – zumindest größer und breitschultriger als Ambler -, und die molligen Mäntel täuschten über die disziplinierte Brutalität und Entschlossenheit hinweg, mit der sie Ambler vom Pfad und hinter ein angrenzendes Mausoleum drängten. Wenige Augenblicke später, als das kleine Monument sie vor den Blicken der Besucher verbarg, nahmen sie ihn in die Mitte und packten ihn an den Oberarmen. Er konnte sich kaum bewegen. Der Mann zu Amblers Rechten hielt etwas in der freien Hand: ein kleines Objekt aus Plastik. Stahl schimmerte im Dämmerlicht. Es war eine Spritze, gefüllt mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit.
»Ein Wort«, sagte der Mann im Flüsterton, »und ich jage dir das in den Arm.« Er war Amerikaner. Sein Körper war stämmig, sein Gesicht breit, und sein Atem hatte den typischen Bouillongestank, den eine Bodybuilder-Diät aus vorwiegend proteinhaltiger Nahrung verursacht.
Jetzt lief ein dritter Mann in Amblers Gesichtsfeld, und es dauerte ein paar Sekunden, bis er ihn erkannte. Sein lockiges Haar war grau und schütter geworden, die schmalen, eng stehenden Augen lagen tief in ihren Höhlen, tiefe Falten durchzogen die Stirn. Als Ambler mit ihm zusammengearbeitet hatte, war sein Gesicht glatt und sein Haar dicht und struppig gewesen. Unverändert war die lange, gerade und breite Nase mit den geblähten Nasenflügeln, die seinem Gesicht einen pferdeähnlichen Ausdruck verliehen. Kein Zweifel. Dies war der Mann, den er als Cronus kannte.
Nun lächelte Cronus, und dieses Lächeln war so eiskalt, dass es mehr wie eine Drohung wirkte. »Lange her, nicht wahr?«, sagte er in einem aufgesetzten Konversationston, der nicht darauf hindeutete, dass er Konversation treiben wollte. »Zu lange, Tarquin.«
»Oder nicht lange genug«, erwiderte Ambler in neutralem Ton. Seine Augen wanderten zwischen den drei Männern hin und her. Es war bereits offensichtlich, dass Cronus hier das Sagen hatte. Die anderen sahen ihn an, als erwarteten sie von ihm ein Signal zum Handeln.
»Vor zehn Jahren habe ich dir etwas geschenkt. Jetzt muss ich es leider zurückfordern.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Ach, wirklich nicht?«
Ambler wollte Zeit gewinnen, um seine nahezu aussichtslose Lage zu analysieren. »Geschenkt ist geschenkt, wieder abholen ist gestohlen. Es kommt natürlich immer auf die Absicht des Schenkenden an. Vielleicht sollten wir denjenigen, der ein Geschenk annimmt, das der Schenkende wieder zurückfordern will, als Dieb bezeichnen.« Sinnloses Gebrabbel.
Cronus sah ihn scharf an. »Hast du allen Ernstes geglaubt, du kommst damit durch?«
»Womit?«
»Du elender Hurensohn.« Die Worte klangen wie eine gedämpfte Explosion. »Nur weil du einen großen Mann getötet hast, bist du noch lange nichts Besonderes. Du bist immer noch ein Wurm. Und wie einen Wurm werde ich dich auch zertreten.«
Ambler starrte in die schwarzen Tiefen von Cronus’ Augen. Er sah Wut dort glitzern, aber auch noch
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