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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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Tarquin konnte zwar versuchen, nach seiner Beretta zu greifen, aber der lange Schalldämpfer würde Ziehen und Zielen um den fatalen Bruchteil einer Sekunde verzögern.
    Um ihn herum spielte sich der ganz gewöhnliche menschliche Alltag ab. Der Gärtner konzentrierte sich auf seine Müllzange, sein Gesicht lag im Schatten des Schirms seiner Mütze. Die Touristen strömten allmählich zum Tor hinaus, suchten nach Taxis oder der Metrostation und plauderten nach einem langen Tag mit müden Stimmen miteinander.
    Cronus gab jemandem hinter Tarquin ein Signal. Wahrscheinlich dem Heckenschützen, folgerte Tarquin. »Mach dir keine Gedanken über unseren Freund mit dem Gewehr«, sagte Cronus mit eiskalter Bosheit. »Er sollte dich nur aufhalten. Nur ich darf dich umbringen. Ich allein. Das wissen alle.«
    Der Parkwächter arbeitete sich langsam und methodisch den Weg entlang. Er kam immer näher, und Tarquin bekam Angst, dass er ihn in seinen Bewegungen behindern würde. Der Mann war ein unbeteiligter Bürger, allerdings bezweifelte Tarquin, dass Cronus sich darum scheren würde. Für einen Augenblick witterte Tarquin Gefahr. Der Gang des Mannes war merkwürdig.

    Plötzlich wurde einer der letzten Sonnenstrahlen des Abends von der Windschutzscheibe eines vorbeifahrenden Autos reflektiert und erhellte für einen Augenblick das Gesicht des Parkwächters. Tarquin wurde starr vor Entsetzen. Der Swimmingpool im Plaza-Hotel. Das Gesicht im Jardin du Luxembourg.
    Der chinesische Killer.
    Seine Überlebenschancen hatten sich soeben auf nahe null reduziert.
    »Was du nie verstehen wirst, Cronus«, sagte Tarquin in dem verzweifelten Versuch, Zeit zu schinden, »ist, dass ...«
    »Ich habe genug von deinem Geschwätz«, sagte Cronus und krümmte den Finger am Abzug. Abrupt verschwand der feindselige Ausdruck aus seinem Gesicht und machte einer leeren Verständnislosigkeit Platz.
    Gleichzeitig bemerkte Tarquin den roten Sprühregen, der aus Cronus rechtem Ohr drang. Der chinesische Killer hatte sich niedergekniet und die Müllzange durch ein langes Gewehr mit Schalldämpfer ersetzt. Alles war so schnell gegangen, dass Tarquin die Ereignisse erst im Nachhinein begriff.
    Der Chinese wirbelte zu Tarquin herum und schoss. Einen Moment lang dachte Tarquin, sein Ende sei gekommen ...
    Aber der Mann schaute nur über den Lauf, ein Profi brauchte für ein Ziel in fünf Metern Entfernung kein Visier. Tarquin hörte, wie die Hülse klimpernd zu Boden fiel.
    Der Chinese schoss nicht auf ihn. Er schoss auf den Heckenschützen.
    Tarquin wurde schwindelig. Das alles ergab überhaupt keinen Sinn.
    Der Mann vor ihm sah durch sein Visier und zielte erneut. Nur ein außergewöhnlich guter Schütze würde versuchen,
einen versteckten Scharfschützen ohne Gewehrauflage zu treffen. Sein kauernder Körper musste die stabilisierende Wirkung eines Stativs ersetzen.
    Plopp, Plopp. Zwei Hülsen klimperten zu Boden. Tarquin hörte, wie ein Mann in einiger Entfernung aufschrie.
    Der grün uniformierte Mann erhob sich aus seiner kauernden Haltung und klappte den Gewehrkolben zurück.
    Tarquin war fassungslos. Verständnislos und ungläubig starrte er den Mann wie betäubt an.
    Der Attentäter hatte sein Leben gerettet. Und er hatte ihn verschont!
    »Ich verstehe gar nichts mehr«, stammelte Tarquin verwirrt.
    Der Mann sah ihn mit seinen braunen Augen ernst an. »Das weiß ich jetzt. Deshalb bist du noch am Leben.«
    Tarquin sah ihn zum ersten Mal genauer an und entdeckte einen Mann, der gewissenhaft seine Pflicht erfüllte. Der zwar stolz auf seine herausragenden Fähigkeiten war, aber keine Freude an ihren tödlichen Konsequenzen hatte. Ein Mann, der sich selbst nicht als Krieger, sondern als Wächter betrachtete. Der wusste, dass es Männer wie ihn immer gegeben hatte: Prätorianer, Templer oder Samurai. Männer, die sich selbst in stählerne Klingen verwandelten, um andere zu schützen. Männer, die hart waren, damit andere weich sein konnten. Männer, die töteten, damit andere in Sicherheit leben konnten. Beschützen war sein Motto. Beschützen sein Glaubensbekenntnis.
    Einen Sekundenbruchteil später explodierte die Kehle des Chinesen in einer blutigen Wolke. Der unsichtbare Scharfschütze war zwar verwundet, hatte aber offenbar noch Kraft für einen Schuss gehabt. Und den hatte er auf den Mann abgegeben, von dem die größte Gefahr für ihn ausging.

    Tarquin sprang auf. Für kurze Zeit – sehr kurze Zeit – waren die anderen Agenten noch in sicherer

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