Ambler-Warnung
Anzeichen dafür zu entdecken, dass er verfolgt wurde. Nichts Eindeutiges, nur vage, zweideutige Hinweise. Wurde er langsam paranoid? Ein Jeep mit einer Plane über der Ladefläche folgte ihnen in konstanter Entfernung. Ein Helikopter flog über sie hinweg. War das außergewöhnlich für die Tageszeit und den Ort? Sein überreiztes Gehirn identifizierte unzählige kleine Unstimmigkeiten, die vielleicht völlig harmlos waren. Welches Indiz bedeutete etwas? Bildete er sich alles nur ein?
Kurz vor der Schweizer Grenze bemerkte Ambler einen
türkisfarbenen Kleinlaster mit einem ihm bekannten Firmenschild: Den hatte er schon mal gesehen. Er fragte sich erneut, ob er paranoid wurde. Das schwache Licht vor der Morgendämmerung machte es unmöglich, das Gesicht des Fahrers zu erkennen. Ambler bat Luc, langsamer zu fahren. Der Kleinlaster trat beinahe gleichzeitig auf die Bremse und hielt die Entfernung zwischen ihnen konstant. Ein ziemlich großer Sicherheitsabstand, selbst für einen übervorsichtigen Fahrer. Amblers Unruhe verdichtete sich zu Angst. Er musste seinem Instinkt folgen. Nur der Glaube hat uns so weit gebracht. Der Glaube, der Ambler bisher das Leben gerettet hatte, war der feste und verzweifelte Glaube an sich selbst. Er durfte auch jetzt nicht zweifeln. Er musste die extrem beunruhigende Tatsache akzeptieren, dass seine Verfolger ihn entdeckt hatten.
Die Sonne trat glitzernd hinter dem Horizont hervor, ein leuchtendroter Streifen. Die Luft war kalt wie im Kühlhaus eines Schlachthofs. Ambler sagte Luc, er habe sich spontan zu einer kleinen Wanderung entschlossen und wolle an diesem herrlichen Morgen ein bisschen frische Luft schnappen. Ja, genau hier, warum nicht? Wunderschöne Aussicht.
Die zusätzlichen Dollarscheine, mit denen Ambler wedelte, verwandelten Lucs misstrauische Miene in ein amüsiertes, wenn auch skeptisches Grinsen. Der Fahrer wusste, dass Ambler nicht von ihm erwartete, seiner Begründung Glauben zu schenken. Aber das Geld war echt. Luc hatte keine Einwände mehr. Er schien das Spielchen sogar zu genießen. Es gab unzählige Gründe, warum jemand die Grenzkontrolle umgehen wollte. Schließlich musste man für manche Luxusartikel saftige Einfuhrzölle bezahlen. Solange Lucs Auto nicht zum Transport von Schmuggelware missbraucht wurde, war ihm das vollkommen egal.
Ambler schnürte seine schweren Wanderstiefel aus Leder fester, griff nach seiner Tasche und stieg aus dem Auto. Er hatte sich darauf vorbereitet, den grünen Grenzübergang zu wählen, falls es sein musste. Minuten später war er zwischen den schneebedeckten Tannen, Kiefern und Lärchen verschwunden. Er lief parallel zur Straße, allerdings in ungefähr zweihundert Metern Entfernung. Nach einem knappen Kilometer sah er zwei Laternenpfähle zu beiden Seiten der Straße. Starke Lampen leuchteten in den kugelförmigen Laternen aus Milchglas. Das Zollhaus erinnerte an ein Hexenhäuschen – dunkles Holz mit grünen Fensterläden und Schnitzereien im zweiten Stockwerk, die an ein Pfefferkuchenhaus erinnerten. Ein riesiges, steil abfallendes Dach krönte das traditionelle Gebäude. Durch die Bäume sah er die französische Trikolore und die Schweizer Fahne mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund. Am Straßenrand erhoben sich roh behauene Felsbrocken neben der weißen Linie, die unter dem Schnee auf der Fahrbahn kaum sichtbar war. Das gesetzlich festgelegte Hindernis der Grenze wurde durch physische Hindernisse verstärkt. Ein niedriger orangefarbener Grenzbalken sollte den Verkehrsfluss kontrollieren. Auf beiden Straßenseiten standen türlose Kabinen für die Zollbeamten. Ein Stück hinter der Grenze hatte der Fahrer eines Nahrungsmitteltransporters seinen Camion, der offenbar defekt war, auf den breiten asphaltierten Seitenstreifen gefahren. Ambler erkannte gerade noch Bauch und Beine eines kleinen dicken Mechanikers, der den Kopf unter die Motorhaube gesteckt hatte und in den Eingeweiden des Lasters herumfuhrwerkte. Verschiedene Motorteile lagen auf dem vom Schnee befreiten Asphalt neben dem Laster. Gelegentlich fluchte der Mann lautstark auf Französisch.
Auf der anderen Seite des Zollhauses befand sich ein Parkplatz, der ein bisschen niedriger lag als die Straße. Ambler versuchte,
Einzelheiten zu erkennen. Eine Wolke hatte sich vor den ehemals glitzernden Sonnenaufgang geschoben. Er sah ein Streichholz aufflammen, als ein Grenzbeamter sich eine Zigarette anzündete. Solche Dinge wurden im Dämmerlicht besser sichtbar. Er warf
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