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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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Landschaft auch sein mochte, durch die er fuhr. Sie trennte ihn von Laurel, und allein deshalb hasste er sie.

    Er warf einen Blick auf die Uhr, was er seit seiner Ankunft in der Schweiz wie besessen getan hatte. Die Zeit wurde knapp. Wieder einmal stieg die Alpenstraße steil an und fiel dann flacher ab. Er drückte das Gaspedal beinahe konstant durch und benutzte das Bremspedal nur, wenn es unbedingt notwendig war. Er war seinem Ziel so nahe und doch so unendlich fern. Er hatte so viele Abgründe überwunden. Wie viele mochten noch vor ihm liegen?

Kapitel einunddreißig
    Davos
     
    Nur wenige Orte hatten im Bewusstsein der Weltöffentlichkeit eine solche Bedeutung und waren doch in der Realität so winzig. Davos bestand aus einer ungefähr anderthalb Kilometer langen Ansammlung von Häusern, die überwiegend dicht an der einzigen Hauptstraße lagen. Wie zu Eis erstarrte Wachposten umgaben riesige schneebedeckte Koniferen den Ort. Geografen kannten Davos als den höchstgelegenen Skiort Europas, aber das galt nicht nur für seine Lage über Meereshöhe. Jedes Jahr versammelten sich in dem Städtchen ein paar Tage lang die Größen der finanziellen und politischen Macht. Tatsächlich war der Name Davos zu einem Synonym für den jährlichen Weltwirtschaftsgipfel geworden – dem Gipfeltreffen der globalen Elite, das hier in der letzten Januarwoche stattfand. Die winterliche Düsternis ließ die illustren Gäste umso heller erstrahlen. Obwohl das Forum sich dem freien Fluss von Kapital, Arbeit und Ideen verschrieben hatte, schotteten sich die Teilnehmer bei dem Gipfel in einem schwer bewachten Kongresszentrum ab. Um das weitläufige Gelände aus halbrunden und rechteckigen Gebäuden hatten einige Hundertschaften der Schweizer Militärpolizei Stellung bezogen. Extra aufgestellte Stahlzäune blockierten alle nicht offiziell zugelassenen Ein-und Ausgänge.
    Ambler ließ den Laster auf einem Parkplatz hinter einer alten Steinkirche stehen, deren spitzer Giebel ihn an einen Hexenhut erinnerte, und marschierte über den Reginaweg
zur Promenade, der Hauptstraße von Davos. Die Gehwege waren fein säuberlich geräumt. Eine Sisyphusarbeit, denn selbst wenn es nicht schneite, trieb der Wind den Schnee von den Abhängen herunter. Die Promenade war als Arkade konzipiert. Geschäft reihte sich an Geschäft, dazwischen lagen verstreut Hotels und Restaurants. Die Geschäfte waren allerdings überhaupt nicht ländlich. Es waren Filialen internationaler Edelmarken wie Bally, Chopard, Rolex, Paul & Shark oder Prada. Ambler passierte ein Bettwäschegeschäft namens Betten und Besser und ein hohes Gebäude, vor dem drei Flaggen wehten, als sei es ein Konsulat. Tatsächlich war es eine Filiale der USB-Bank, vor der die Staats-, die Kantons-und die Firmenflagge gehisst waren. Ambler zweifelte nicht daran, welcher Flagge die wahre Loyalität der Bank gehörte. Nur die Hotels – das Posthotel mit dem stilisierten Horn über den gigantischen Blockbuchstaben seines Namens oder der Schweizerhof Morosani, dessen Markise das grün-schwarze Bild traditioneller Wanderstiefel schmückte – verbreiteten so etwas wie Lokalcharakter.
    Davos war zwar einer der abgelegensten Orte der Welt, aber die Welt war in all ihrer metallischen Pracht hierher gekommen. Autos mit Schneeketten und hoch eingestellten Scheinwerfern – er sah einen dunkelblauen Honda, einen silbernen Mercedes, einen Opel-Geländewagen, einen Ford-Minivan  – fuhren mit halsbrecherischer Geschwindigkeit vorbei. Ansonsten erinnerten ihn die Ladenfronten an einen Hollywood-Filmset, eine Westernstadt auf dem Studiogelände: Man war sich stets bewusst, wie schmal die Stadt war, da die steilen Berghänge, die sie von allen Seiten einschlossen, von überall aus sichtbar waren. Gefrorene Wasserfälle aus Bäumen, die von unsichtbaren Gipfeln stürzten. Neben diesen gewaltigen Falten der Erde – ein hoch aufragendes, verwirrendes
Muster aus Bergkämmen, Windungen und Wölbungen, ein Fingerabdruck Gottes – wirkte alles andere künstlich und vergänglich. Das älteste Gebäude, an dem er vorbeilief, war ein Kasten von schlichter Eleganz, in dem die Kantonspolizei residierte. Aber auch die Polizisten waren nur Gäste hier, die versuchten, das Unbeherrschbare zu kontrollieren: die unbeweglichen, schneebedeckten Berge. Und die Wildnis der menschlichen Seele.
    Und die Wildnis in seiner eigenen Seele? Ambler war vollkommen erschöpft, ein Spielball von Informationen, die alles oder nichts

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