Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
Vom Netzwerk:
J. gesagt hat. Und ich hoffe übrigens, dass du Mom erzählt hast, was gestern bei euch in der Französischstunde passiert ist.«
    »Untersteh dich!« Andrea sprang in der unbeherrschten Art einer Sechzehnjährigen auf. »Wollen wir nicht lieber über den kleinen Kratzer an der linken Seite des Volvos reden? Der war noch nicht da, als du gestern Abend weggefahren bist. Glaubst du, dass Mom ihn schon bemerkt hat?«
    »Was für ein Kratzer?«, fragte Linda Caston und stellte ihren eimergroßen Becher mit schwarzem Kaffee ab.

    Max funkelte seine Schwester an, als überlege er sich bereits, welche Foltern auch nur halbwegs geeignet sein könnten, ihn zu rächen.
    »Sagen wir einfach, dass Mad Max die Feinheiten des Parallelparkens noch nicht ganz beherrscht.«
    »Weißt du was?«, sagte Max, ohne seine Schwester aus den Augen zu lassen. »Ich glaube, es wird Zeit, dass dein Freund Chip und ich mal miteinander reden.«
    Caston sah von seiner Washington Post auf. Er war sich völlig darüber im Klaren, dass er im Bewusstsein seiner Kinder im Augenblick keine große Rolle spielte, aber das störte ihn durchaus nicht. Dass sie überhaupt seine Kinder waren, war ihm ein Rätsel, so wenig Ähnlichkeiten hatten sie mit ihm.
    »Das würdest du dich nicht trauen, du kleine Kröte!«
    »Was für ein Kratzer?«, wiederholte Linda.
    Seine Tischgenossen zankten sich weiter, als sei er überhaupt nicht da. Daran war Caston gewöhnt. Selbst am Frühstückstisch war er der unauffälligste Bürokrat der Welt, und Andrea und Max waren ein bisschen verrückt und vor allem mit sich selbst beschäftigt, wie Jugendliche eben sind. Andrea mit ihrem himbeerrot glänzenden Lippenstift und ihren mit Filzstiften bemalten Jeans; Max, der kommende Footballstar der Highschool, der immer vergaß, sich am Hals zu rasieren, und zu viel Aqua Velva nahm. In Gedanken korrigierte Caston sich: Jede Dosis Aqua Velva wäre zu viel gewesen.
    Sie waren undisziplinierte, wilde Bälger, die sich bei jeder Gelegenheit in die Haare gerieten. Und Clayton Caston liebte sie wie sein eigenes Leben.
    »Ist noch Orangensaft da?« Das waren Castons erste Worte am Frühstückstisch.
    Max schob ihm den Getränkekarton hin. Das Innenleben seines Sohns war Caston weitgehend rätselhaft, aber manchmal
sah er auf Max’ Gesicht einen fast mitleidigen Ausdruck: ein junger Mann, der seinen Dad nach den in der Highschool üblichen anthropologischen Kategorien einzuordnen versuchte  – Star, Aufreißer, Streber, Flasche, Loser – und dabei erkennen musste, dass sie als Klassenkameraden garantiert nicht befreundet wären. »Ein paar Schluck sind noch da, Dad«, sagte er.
    »Besser als nichts«, meinte Caston.
    Max betrachtete ihn unbehaglich. »Na ja, lohnt kaum noch das Eingießen.«
    »Wir müssen über diesen Kratzer reden«, sagte Linda.
     
    In Caleb Norris’ CIA-Büro ging es zwei Stunden später weniger laut zu, aber die gedämpften Stimmen verstärkten nur die allgemeine Anspannung. Als ein ADDI (Assistant Deputy Director of Intelligence) war Norris einer der Assistenten des stellvertretenden CIA-Direktors, und als er Caston aufgefordert hatte, um 9.30 Uhr zu einer Besprechung zu ihm zu kommen, hatte er den Anlass nicht erwähnt. Das war auch nicht nötig. Seit am Vortag die Nachricht aus Parrish Island eingegangen war, waren weitere Meldungen gekommen – die meisten widersprüchlich und irritierend vage -, die darauf schließen ließen, dass es in diesem Zusammenhang weitere Vorfälle gegeben hatte.
    Norris hatte ein breites russisches Bauerngesicht mit gerötetem Teint und kleinen, weit auseinanderstehenden Augen. Er hatte einen gewaltigen Brustkorb und war regelrecht zottig; schwarze Haare quollen unter seinen Manschetten hervor und drängten aus dem Kragen, wenn er seine Krawatte abnahm. Obwohl Norris der dienstälteste Nachrichtenanalyst der Agency war und zum Führungszirkel des Direktors gehörte, hätte man ihn nach einem Foto ganz anders
eingeordnet – vielleicht als Rausschmeißer oder als Leibwächter eines Gangsters. Auch seine polternde Art, die eher zu einem Gewerkschaftsboss gepasst hätte, verriet nichts von seinem Lebenslauf: Physikstudium an der Catholic University of America; Stipendium der National Science Foundation zur Untersuchung militärischer Anwendungen der Spieltheorie; Tätigkeit am Institute for Defense Analysis und bei der Lambda Corporation. Norris erkannte frühzeitig, dass er für eine traditionelle Karriere zu ungeduldig war, aber

Weitere Kostenlose Bücher