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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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seinen Decknamen«, gab er zu. »Tarquin.«
    »Tarquin«, wiederholte Pei. Sein faltiger Hals zitterte wie der eines alten Shar-Peis. »Ein Amerikaner?«
    »Wahrscheinlich, obwohl wir nicht sicher sind, wer ihn kontrolliert. Es war sehr schwierig, Gerüchte von Tatsachen zu trennen. Aber wir haben Grund zu der Annahme, dass er eine zentrale Figur im Komplott gegen Liu Ang darstellt.«
    »Dann muss er ausgeschaltet werden«, sagte der weißhaarige Mann und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Er ist wirklich gerissen, dachte Chao. Aber eben auch ein Bauer.
    »Da denken wir ähnlich«, sagte der Meisterspion. »Manchmal habe ich Angst, dass Liu Ang zu gut für diese Welt ist.« Nach einer Pause fuhr er fort: »Zum Glück bin ich das nicht.«
    Seine Zuhörer nickten grimmig.
    »Es wurden bereits Vorkehrungen für den Ernstfall getroffen. Ein Team von Abhörspezialisten aus der zweiten Abteilung ist an der Sache dran. Als wir gestern glaubwürdige Informationen über den möglichen Aufenthaltsort dieses Agenten erhielten, konnten wir sofort entsprechende Schritte einleiten. Der Fall liegt nun in den Händen des besten Mannes, den dieses Land für solche Angelegenheiten zu bieten hat.«
    Chao war klar, dass seine Worte wie leere Phrasen klangen, aber rein technisch gesehen glaubte er wirklich, was er sagte. Chao hatte Joe Li als Jugendlichen entdeckt, als dieser den ersten Preis in einem regionalen Schießwettbewerb gewonnen hatte, den die örtliche Abteilung der Nationalen Volksbefreiungsarmee ausgerichtet hatte. Der Junge wurde
einer Reihe von Tests unterzogen, und bald stellte sich heraus, dass er trotz seiner ländlichen Herkunft über außergewöhnliche Talente verfügte. Chao war ständig auf der Suche nach solchen Wunderkindern. Er war überzeugt davon, dass Chinas größte Stärke in seinem Bevölkerungsreichtum lag. Nicht nur aufgrund der Muskelkraft seiner billigen Arbeitskräfte, sondern vor allem deshalb, weil in einer solchen Masse von Menschen zwangsläufig auch Wunderkinder auftauchen mussten. Wer eine Milliarde Austern öffnete, würde bestimmt eine Handvoll Perlen finden, verkündete Genosse Chao gern. Er war überzeugt davon gewesen, dass Joe Li eine solche Perle war, hatte ihn unter seine Fittiche genommen und auf eine außergewöhnliche Karriere vorbereitet. Schon früh erhielt der Junge intensiven Sprachunterricht. Joe Li sollte nicht nur lernen, westliche Sprachen akzentfrei zu sprechen, sondern auch, die Eigenarten der westlichen Nationen zu übernehmen, um sich dort völlig selbstverständlich bewegen zu können. Außerdem bildete man ihn umfassend im Umgang mit Waffen aus, und er lernte westliche Nahkampftechniken genauso wie die uralte Kampfkunst der Shaolin.
    Joe Li hatte Chao noch nie enttäuscht. Er war ein eher kleiner Mann, aber das hatte sich als großer Vorteil herausgestellt. Er wirkte vollkommen harmlos und unauffällig, seine außergewöhnlichen Fähigkeiten blieben unter dem Deckmantel des Gewöhnlichen verborgen. Er war, wie Chao ihm einst gesagt hatte, ein als Ruderboot getarntes Schlachtschiff.
    Aber das war noch längst nicht alles. Obwohl Joe Li seine Arbeit emotionslos und professionell erledigte, war seine persönliche Loyalität seinem Land und Chao gegenüber über jeden Zweifel erhaben. Dafür hatte Chao gesorgt. Teils aus Sicherheitsgründen, teils weil er wusste, wie knapp und deshalb
heiß begehrt solche Ressourcen auf höchster Regierungsebene waren, war die Kontrolle über Joe Lis Einsätze strengstens partitioniert. Mit anderen Worten: Chinas bester Geheimagent unterstand Chao, und zwar Chao allein.
    »Was ist mit diesem Tarquin? Ist er tot?«, fragte der Ökonom Tsai und trommelte mit den Fingern auf den schwarzen Lacktisch.
    »Noch nicht«, sagte Chao. »Aber bald.«
    »Wie bald?«, bohrte Tsai nach.
    »Ein solcher Einsatz im Ausland ist immer eine delikate Angelegenheit«, wich Chao aus. »Aber wie ich Ihnen versichert habe, ist unser bester Mann damit beauftragt. Dieser Mann hat mich noch nie enttäuscht, und er wird von uns laufend mit den aktuellsten Informationen versorgt. Der Zeitpunkt des Lebens und der Zeitpunkt des Todes sind vorbestimmt, wie der große Weise sagt. Ich will nur so viel sagen: Für Tarquin wird der zweite Zeitpunkt sehr bald kommen.«
    »Wie bald?«, wiederholte Tsai.
    Chao blickte auf seine Armbanduhr und erlaubte sich ein schmales Lächeln.
    »Das hängst davon ab, ob Ihre Uhr richtig geht.«
     
     
    New York
     
    Das Plaza-Hotel an

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