Ambler-Warnung
vorher höchstens vage und unbewusst vermutet hatte. Sie hätten ihn niemals angeheuert.
Zweifellos glaubte Arkady, was man ihm gesagt hatte, aber Aufrichtigkeit war noch lange kein Garant für Wahrheit. Die ganze Geschichte ergab überhaupt keinen Sinn: Eine risikoscheue Organisation würde niemals einem Mann, an dessen Loyalität sie zweifelte, einen solchen Auftrag erteilen. Er hätte jederzeit die Polizei einschalten und den Mann in Sicherheit bringen lassen können. Ergo ...
Ergo war das ganze Szenario ein Test. Ergo war der Revolver nicht geladen.
Die Zielperson ging in einer Entfernung von sieben Mietern entschlossen auf das Gebäude im Osten des Platzes zu. Jetzt marschierte Ambler eilig auf ihn zu, zog die Redhawk aus seinem Mantel, zielte auf den Rücken des Mannes und drückte ab.
Es erklang das leise, trockene Klicken des Hahns auf dem Schlagbolzen. Ein Geräusch, das schon im Verkehrslärm untergegangen wäre und von dem Presslufthammer vollkommen übertönt wurde. Mit gespielter Verzweiflung drückte er wieder und wieder ab, bis er alle sechs Kammern probiert hatte.
Er war sicher, dass die blonde Frau die rotierende Trommel und die Bewegung des Hahns genau registriert hatte.
Eine plötzliche Bewegung, die Ambler aus dem Augenwinkel sah, ließ ihn den Kopf drehen. Ein Wachmann auf der anderen Seite des Platzes hatte ihn gesehen! Der Wachmann zog seine Waffe aus seinem kurzen, dunkelblauen Mantel und kauerte sich schussbereit zu Boden.
Seine Waffe war natürlich geladen. Ambler hörte den hellen Knall eines .38ers und das scharfe Zischen, mit dem die Kugel an seinem Ohr vorbeisauste. Der Wachmann war entweder ein guter Schütze oder ein Glückspilz. Womöglich war Ambler tot, bevor er das klären konnte.
Ambler rannte auf die Treppe an der Südseite des Platzes zu und bemerkte eine weitere schnelle Bewegung aus den Augenwinkeln. Der Händler war in Panik geraten, hatte seinen Karren direkt in den Wachmann geschoben und ihn dabei umgeworfen. Ambler hörte, wie der Wachmann vor Schmerz grunzte. Und das metallische Geräusch, mit dem die Pistole, die ihm aus der Hand geschlagen worden war, über den Asphalt schlitterte.
Eine weitere Aktion, die überhaupt keinen Sinn ergab. Kein unbeteiligter Zuschauer würde jemals auf einen Mann mit einer Schusswaffe zugehen. Der Mann, der als Händler posiert hatte, gehörte mit Sicherheit zum Team.
Ein Motorrad raste mit aufheulendem Motor heran. Ambler hörte es einige Sekunden, bevor er es sah. Scheinbar aus dem Nichts materialisierte sich eine mächtige Ducati Monster vor ihm. Das Gesicht des Fahrers war hinter dem Visier des Helms nicht zu erkennen. Freund oder Feind?
»Steig auf!«, brüllte der Fahrer ihm zu, als er abbremste, aber nicht anhielt.
Ambler warf sich auf den großen Rücksitz des Motorrads, und mit quietschendem Hinterrad raste die Ducati davon.
Er hatte keine Zeit gehabt, nachzudenken; er musste seinem
Instinkt folgen. Der kraftvolle Motor vibrierte unter seinen Oberschenkeln.
»Festhalten!«, brüllte der Fahrer wieder. Einen Augenblick später schoss das Motorrad die Stufen auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes hinunter, wobei die Hinterachse heftig nach oben hüpfte.
Die Passanten auf dem Bürgersteig stoben in Panik auseinander. Aber der Fahrer wusste genau, was er tat, und bald war das Motorrad im Verkehr verschwunden. Es überholte einen Wagen der Müllabfuhr, ein Taxi, einen UPS-Laster. Der Fahrer hielt im Rückspiegel offenbar nach der Polizei Ausschau. Zwei Häuserblocks nördlich bog er in die Duane Street ein und hielt neben einer Limousine an, die am Straßenrand wartete.
Es war ein burgunderroter Bentley, dessen Fahrer, wie Ambler auffiel, eine olivgrüne Livree trug. Die Beifahrertür vor Ambler öffnete sich, er stieg ein und machte es sich auf dem hellen Ledersitz bequem. Der Bentley war hervorragend geräuschisoliert; als die Tür mit einem satten Klick ins Schloss fiel, verschwanden die Geräusche der Stadt. Die hintere Passagierkabine war sehr geräumig; außerdem hatte sie abgedunkelte Scheiben, und Ambler war vor den Blicken von Fußgängern oder anderen Verkehrsteilnehmern verborgen. Trotz des Gefühls von Abgeschiedenheit, das sich sofort einstellte, war Ambler nicht allein. Ein anderer Mann saß bereits in der Passagierkabine, öffnete jetzt ein Fenster in der Trennwand zwischen Kabine und Chauffeursbereich und sagte in sanften, gutturalen Lauten zu dem Fahrer: »Ndiq harten. Mos ki frike. Pac fat
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