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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ludlum
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voller Zuneigung an. Und falls Ambler eine gewisse Anspannung in ihm spürte, lag dass nicht daran, dass er einen Plan verfolgt hätte oder ihn hinters Licht führen wollte. Amblers Misstrauen war ein Automatismus, den er manchmal unterdrücken
musste. Dies war vielleicht seine erste wirkliche Chance, die er auf jeden Fall nutzen musste.
     
    Der Chinese im gut geschnittenen Anzug – feinste Merinowolle mit diskretem Glencheck-Muster –, der von der Fifth Avenue aus die Drehtür zur vorderen Lobby des Plaza-Hotels durchschritt, erregte kaum Aufmerksamkeit. Er war zierlich gebaut und gut aussehend, mit zarten Gesichtszügen und hellen, freundlichen Augen. Er nickte einer Dame an der Rezeption höflich zu, und sie nickte zurück. Sie nahm an, dass der Mann sie wahrscheinlich mit der Empfangsdame verwechselte, die ihn eingecheckt hatte. Er nickte dem Pförtner zu, der sein bestes »Zu Diensten-Sir« -Lächeln aufgesetzt hatte, und ging, ohne seinen Schritt zu verlangsamen, zu den Fahrstühlen. Hätte er unsicher gewirkt oder angehalten, um sich zu orientieren, wäre wahrscheinlich ein Angestellter, der gerade nichts zu tun hatte, mit einem Kann ich Ihnen helfen, Sir? auf ihn zugetreten. Aber in einem Hotel mit achthundert Zimmern war die Wahrscheinlichkeit groß, dass jemand, der sich benahm, als gehöre er hierher, auch tatsächlich Gast des Hauses war.
    Wenige Minuten später hatte er sich vergewissert, dass sich seine Beute weder in den Lobbys noch in den Restaurants aufhielt. Wenige Minuten später wusste er, dass er sie auch nicht in den anderen öffentlich zugänglichen Bereichen auf den unteren Ebenen des Hotels finden würde. Weder in den Galerien noch in den Geschäften, Schönheitssalons oder dem Spa.
    Joe Li hatte bereits ausgeschlossen, dass seine Beute sich ein Hotelzimmer genommen hatte. Hotels dieser Preisklasse verlangten beim Einchecken unangenehm viele Informationen: Ausweise, Kreditkarten und so weiter. Doch diese Leute wollten
bestimmt keine Spuren hinterlassen. Da sie nicht auf den öffentlich zugänglichen Ebenen waren, blieben nur noch zwei Möglichkeiten. Eine war das Fitnesszentrum des Hotels.
    Unbemerkt von den vielen Gästebetreuern bog er in einen mit Teppichen ausgelegten Korridor zwischen den Fahrstuhlanlagen ein und ging durch eine Tür mit der diskreten Aufschrift Personaleingang. Niemand sah, wie er seinen Aktenkoffer öffnete und die Gegenstände, die er darin transportiert hatte, zusammenbaute. Niemand sah, wie er in den bleigrauen Overall eines Hausmeisters stieg, der seinen leichten Anzug vollständig verbarg. Dann betrat er einen Personalaufzug und fuhr nach oben. Neben ihm stand ein Putzwagen mit Eimer und Mopp.
    Wer ihm jetzt begegnet wäre, hätte ihn nicht wiedererkannt. Nur durch eine Veränderung seiner Haltung und seiner Muskelspannung war er um zwanzig Jahre gealtert. Er war jetzt ein gebeugter Mann, der sich um seinen Putzeimer und eine endlose Arbeitsliste kümmerte. Der Raumpfleger im Hintergrund, von dem kaum jemand Notiz nahm.
     
    Osiris klang allmählich ein bisschen atemlos, was aber nicht an körperlicher Anstrengung lag. »Verstehen Sie denn nicht?«, sagte er. »Es gibt noch eine andere Hypothese.« Er trat mit sparsamen, eleganten Bewegungen Wasser, als dirigiere er ein kleines Kammerorchester. Seine Augen waren genauso blau wie das Wasser im Pool.
    »Die zu dem passt, was ich in den letzten 24 Stunden erlebt habe?«
    »Ja«, sagte Amblers alter Kollege. »Ihr Bericht war bewundernswert präzise. Es bringt Sie durcheinander, dass Ihre persönlichen Erinnerungen sich nicht mit der Welt decken, in der Sie leben. Sie nehmen also an, dass die Welt manipuliert
worden ist. Vielleicht ist diese Annahme falsch. Vielleicht ist vielmehr Ihr Geist manipuliert worden.«
    Während Ambler den Erklärungen des dicken Geheimagenten zuhörte, stieg Entsetzen in ihm auf.
    »Denken Sie an Ockhams Rasiermesser: Was ist die einfachste Erklärung?«, fuhr Osiris fort. »Es ist einfacher, den Inhalt Ihres Kopfes zu verändern, als die ganze Welt umzukrempeln.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Ambler fühlte sich wie betäubt.
    »Sie erinnern sich doch bestimmt noch an Bluebird, Artichoke und MKULTRA – die Programme zur Bewusstseinskontrolle aus den fünfziger Jahren – oder? Die Geheimhaltung wurde längst aufgehoben, man hat diese Methoden öffentlich durchgehechelt. Die Menschen halten sie für eine ekelhafte kleine Episode in der Geschichte der Geheimdienste.«
    »Zu

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