Ambra
und alles sei in bester Ordnung. Immerhin sei das doch eine Pfandleihe, oder nicht?
Ich war eingeknickt und hatte das restliche Bargeld aus dem Safe herausgeholt. So groß, wie der Rubin war, würde der schon etwas wert sein, den Safe-Inhalt allemal.
Da wird Arkadiusz aber Augen machen, wenn er das Ding sieht, hatte ich gedacht, und die hatte er ja dann auch gemacht, als er gekommen und von Rokas längst schon keine Spur mehr war.
Was ich mir denn da hätte andrehen lassen, hatte ermich gefragt. Ich fiel aus allen Wolken. Wieso andrehen? Rokas hat mir sein Familienerbstück anvertraut.
Arkadiusz hatte sich seine Lupe ins Auge geklemmt und gesagt: Mädchen, den Kerl siehst du nie wieder.
Du kommst genau richtig, rief Bronka, als ich die Wohnungstür hinter mir ins Schloss drückte. Hat dir Bartosz davon erzählt? Ich wollte dich ja noch anrufen, aber …
Vor Schreck ließ sie beinahe die Schüssel mit der Quark-Rosinen-Mischung fallen. Ich hatte die Jacke im Flur abgelegt, kurz Brunon auf seinem Krankenlager begrüßt und war dann, ohne mich im Spiegel zu betrachten, in die Küche hineingegangen.
Wie siehst du denn aus?
Völlig verschwitzt sei ich ja, und dann diese Augenringe! Ich zuckte mit den Schultern, setzte mich auf die Fensterbank neben zwei vertrocknete Kakteen und tätschelte Mopsik. Aus Bartosz’ Zimmer drang das Geballer seines Computerspiels, ich zuckte zusammen. Als Bronka mir prüfend die Hand auf die Stirn legte, wehrte ich ab und erklärte ihr, dass ich Einschlafprobleme hätte, auch wache ich nachts auf und könne nicht aufhören, über die Geschehnisse des Tages nachzudenken – aber, sagte ich, deswegen bin ich nicht hier, Bronka, es ist etwas passiert. Etwas Schlimmes.
In dem Moment trat Rauch aus dem Ofen, Bronka fluchte und holte mit ein paar rotkarierten Küchenhandtüchern ein Blech Kekse heraus. Sie schien mich nicht gehört zu haben.
Hier, probier die mal. Wenn du die magst, gibt’s die an deinem Geburtstag.
Du musst ihr den Kuchen zeigen!, rief Brunon, seine Stimme klang brüchig, aber resolut, und tatsächlichtauchte er kurze Zeit später im Morgenmantel in der Küche auf und wiederholte: Du musst ihr doch den Kuchen zeigen, Bartosz hat gesagt, er schmeckt zu sehr nach Rum.
Ist er hinten?, fragte ich unnötigerweise. Das Geballer war zwischenzeitlich noch lauter geworden. Wahrscheinlich wäre es weder Brunon noch Bronka in den Kopf gekommen, sich zu beschweren, immerhin war ihr Sohn zu ihnen zurückgekehrt, zeigte sich, aß sogar Rumkuchen, dann durfte er auch Computerspiele spielen.
Ich hatte einen Kekskrümel eingeatmet und hustete. Mopsik sah mich interessiert an, verschwand aber winselnd unter den Tisch, als erst Cudny und schließlich Bartosz selber im Türrahmen erschienen.
Was gibt’s, fragte er und nahm sich einen Keks. Ich verschränkte die Arme vor meiner Brust.
Erinnerst du dich, als du heute Nacht sagtest, dass … unser gemeinsamer Freund eigentlich total in Ordnung sei?
Bartosz nickte und gähnte, ohne sich den Mund zuzuhalten. Ich legte den Rest des heißen Kekses zurück auf das Backblech.
Ich glaube, da lagst du falsch.
10.
Es waren einmal zwei Frauen und ein kleiner Junge, die nach dem großen Krieg mit unzähligen anderen Menschen ihre Stadt verlassen und mit Schiffen über das Wasser fahren mussten, um weit entfernt ein fremdes Leben zu beginnen.
Selbst das Meer schien in Aufruhr zu sein: Meterhoch schlug die Gischt gegen die Schiffswand, bildete Strudel und schäumte so sehr, dass der kleine Emmerich Mischa meinte, jemand habe die See mit Seifenwasser aufgefüllt und ordentlich geschüttelt. Mit beiden Händen klammerte er sich fest an die Reling und blickte an der Schiffswand hinunter.
Bald werden wir zurückkehren, sagte seine Mutter. Sie stand neben ihm und versuchte, ihre Mantelschöße um seine Schultern zu legen. Emmerich wusste, dass sie log. Denn wie sollte das möglich sein: zurückkehren, wenn doch alles kaputt war, das Spielzeuggeschäft, der Laden mit den Bonbons, kaputt die Brücke, über die er mit der Großmutter immer gelaufen war, um Fisch zu kaufen, fort der Hansi Bleckede und der Willi Pfoschneider, mit denen er gemurmelt hatte, fort auch der Vater, und niemand wusste, wohin!
Und wie eigenartig sich dieser Staub über alles gelegt hatte: über die wenigen, unversehrt gebliebenen Häuser, über die Gärten, die Tiere, die frei umherliefen, die Gesichterder Menschen, über die Straßenbahnschienen und das Pflaster, ganz
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