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Ambra

Ambra

Titel: Ambra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabrina Janesch
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auf Renia gerichtet, die sich auf den Teppich gleiten ließ und die Augen schloss. Minuten vergingen, in denen nichts geschah. Schließlich aber formten Renias Lippen erst ein O, verharrten kurz, als müssten sie sich besinnen, wie man sprach, und entspannten sich schließlich wieder. Renia fing an zu reden.
    Die Gurken waren noch überhaupt nicht sauer. Das weiß ich ganz bestimmt. Keine zwei Tage haben die in der Lake gelegen.
    Die Stimme, die aus Renias Mund kam, klang rau und laut, wie zu jemandem gehörend, der es gewohnt war, sich durchzusetzen und alle anderen zu übertönen. Als die ersten Sätze verklungen waren, stand jemand aus dem Publikum auf und kam an den Bühnenrand. Es war ein älterer Herr mit schweißglänzender Halbglatze. Bevor er die Bühne erreichte, hielt Mario ihn fest und setzte ihn auf seinen eigenen Platz in der ersten Reihe. Er selber blieb neben ihm stehen und klopfte ihm kurz auf die Schulter.
    Ihre Mutter?
    Der Mann nickte und wurde noch eine Spur blasser.
    Was hat die Rychterowska mit ihren halbvergorenen Gurken auf dem Stand überhaupt zu suchen gehabt? Mittwochs gehörte er mir, dass wusste sie ganz genau. Die Rychterowska mit ihren alten Eiern und dem welken Dill, die verdient doch, dass man ihr den Stand unterdem Hintern wegverkauft, hörst du, wegverkauft! Und ihr das Lästermaul stopft mit dem dämlichen Grünzeug, das sie beim alten Grabowski gestohlen hat. Jawohl, aus dem Pfarrgarten hat sie’s genommen!
    Renia verstummte. Noch immer herrschte Grabesstille im Publikum, nur das schwere Atmen des Mannes auf Marios Platz war zu hören.
    Hatte Renia noch vor einem Moment halbwegs gerade dagesessen, mit weit aufgerissenen Augen und gespreizten Händen, so war es nun, als hätte jemand die Luft aus ihr herausgelassen. Mit hängenden Schultern, Hohlkreuz und eingefallenen Wangen wartete sie darauf, dass Mario auf die Bühne kam, um ihr aufzuhelfen. Halb stützte er sie, halb trug er sie, und es kam mir vor, dass das Publikum diesen Teil abgewartet hatte, als gehöre er zur Darbietung dazu – denn erst danach, als Renia schon längst in der Umkleide verschwunden war, begannen die Ersten zu applaudieren.
    Als Mario wieder im Zuschauerraum erschien, hielt ich es nicht länger auf meinem Sessel aus. Ich musste wissen, wie es Renia ging. Kein Wunder, dass sie so dünn war, so ausgemergelt, wenn sie diese Tortur mehrmals pro Woche über sich ergehen lassen musste. Erbost dachte ich, dass Maya die Leute ausbeutete, Mario, Przemek, vor allem aber Renia, sie wie Zirkustiere vorführte und sich nicht darum scherte, wie es ihnen nach den Vorführungen ging. Gerade war ich aufgestanden, da spürte ich, wie Kröger mich zurückhielt.
    Die kommt schon wieder, sagte er und lächelte. Nimm lieber einen Drink. Gleich bist du an der Reihe.
    Ich blinzelte und setzte mich. Wie sollte ich an diese Darbietungen anschließen können? Für einen Moment vergaß ich Renia und hoffte, Maya würde mit mir auf derBühne bleiben und irgendwie die Aufmerksamkeit von mir ablenken, einfach so lange weiterreden, bis mich das Publikum gar nicht mehr beachtete. Das Licht war im Zuschauerraum erst angegangen, dann sofort, nach einem allgemeinen Murren, gedimmt worden. Einige der Gäste drängten mit Zigaretten und Feuerzeugen in ihren Händen zur Tür, andere wiederum bildeten Grüppchen und steckten die Köpfe zusammen.
    Pause, sagte Kröger. Und, aufgeregt?
    Natürlich war ich aufgeregt. Ich schüttelte den Kopf und antwortete: Nein, woher denn. Dann, um meine Gelassenheit zu demonstrieren, winkte ich Maggie heran, die eigentlich Magda hieß und deren Aufgabe es war, die Gäste mit Drinks zu versorgen. Sie trug ein schwarzglänzendes Corsagekleidchen und einen wippenden Pferdeschwanz, huschte durch die Reihen und reichte uns zwei Martini-Gläschen. Kröger hob das Glas und prostete mir zu. Ob ich mich mit den Myszas eigentlich geeinigt habe, wie mit der Wohnung zu verfahren sei? Immerhin sei das ein ganz besonderer Fall, eine zeiten- und nationenübergreifende Immobilie.
    Kurz überlegte ich, ihn zu fragen, was ihn das angehe, dann antwortete ich aber, dass ich die Angelegenheit bald klären würde. Das sei alles, was ich zu dem Thema zu sagen habe.
    Ich lehnte mich zurück und betrachtete Kröger, wie er neben mir saß und mit der linken Hand einen hektischen Rhythmus auf seine Sessellehne trommelte.
    Schön, schön, sagte er. Ich dachte ja bloß. Und jetzt, da wir uns hier wiedertreffen … Ich bin übrigens ganz

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