Ambra
gepasst, ihn irritiert …
Marian ist hier, sagte Konrad. So unauffällig wie möglich drehte Lilli sich um, konnte ihn aber nicht unter den Gästen ausfindig machen. Sie wollte Konrad noch fragen, ob er sich sicher sei, da aber schloss schon die Gemeinde: Lob ihn in Ewigkeit. Amen.
Konrad wusste, dass nun die eigentliche Trauung folgen würde, es war jetzt wichtiger als je zuvor, einen kühlen Kopf zu bewahren, sich zu konzentrieren und auf keinen Fall ablenken zu lassen. Aber warum nur eilten seine Gedanken immer wieder zu einem fetten katholischen Priester, vor dem sein Bruder Marian niederkniete und sich auf Polnisch von ihm segnen ließ? Falls es wahr sein sollte, was er da sah, beschloss Konrad, konnte es nur eines bedeuten, und das war Verrat. Marian war heimlich konvertiert, und wenn sein Vater das erfuhr, da war sich Konrad sicher, würde er entweder auf der Stelle sterben oder sofort gesund werden und aufstehen, um seinen Sohn zu bestrafen.
Als hätte es nicht gereicht, dass Marian sich gegen seine Familie hatte durchsetzen müssen und Agnieszka, diese polnische Gans, zu seiner Frau genommen hatte. Nie zuvor hatte Konrad seinen Vater so entsetzt und sowütend zugleich gesehen, tagelang hatte er sich mit der Mutter gestritten und ihr alle Schuld für Marians Verfehlung gegeben, woraufhin sie immer wieder gedroht hatte, zu ihrer Mutter hinaus aufs Land zurück zu ziehen, wenn er so über ihren Sohn sprach. Wochenlang hatte zu Hause der Ausnahmezustand geherrscht. Da hatte nur geholfen, so viele Stunden wie möglich in der Werkstatt zu verbringen, bei den Werkzeugen, die schwer und verständig in der Hand lagen und das Holz in die Dinge der Welt verwandelten. Ein winziger Sägespan, der sich in sein Hemd hineingestohlen hatte und ihn am Nacken kitzelte, holte Konrad zurück in die Gegenwart. Wie still es plötzlich um ihn herum geworden war, und wie die rechte Augenbraue von Pfarrer Cornelius immer mehr in die Höhe wanderte!
Lilli stieß Konrad in die Seite – etwas stärker, als nötig gewesen wäre –, und da sagte er laut und deutlich: Ja, mit Gottes Hilfe.
Ein Aufatmen ging durch die Gemeinde, kurz hörte man Magda Mysza aufschluchzen, dann ertönten wieder die Glocken.
Man hatte die Tische und Stühle für die Feier im Hinterhof aufgestellt, wohl wissend, dass es eigentlich schon ein wenig zu kühl war für eine Feier im Freien. Aber der Hof bot sich nun einmal an für größere Gesellschaften, und glaubte man den Nachbarn, bestand Grund zur Hoffnung, dass das Wetter es gut mit dem jungen Brautpaar meinen würde. Außerdem, hatten sie gelacht, gäbe es nur genug Bier und Schnaps, würde die Temperatur bald schon keine Rolle mehr spielen.
Dennoch hatte sich Magda Mysza vorgenommen, im schlimmsten aller Fälle – kaltem, andauerndem Regen –die Gäste hinein in die Werkstatt zu bitten. Kazimierz hätte es natürlich nie zugelassen, deshalb hatte sie im Stillen und nur mit der Hilfe eines wenig überzeugten Konrads die Werkstatt in der Nacht vor der Feier gefegt und so gut es ging hergerichtet.
Erbost hatte Konrad zum Schluss noch gesagt: Ich feiere meine Hochzeit draußen im Hof oder gar nicht – aber so weit war es gar nicht gekommen. Die Nachbarn sollten recht behalten: Kaum, dass sich die Hochzeitsgesellschaft auf den Weg von der Kirche zur Tischlerei machte, brach die Sonne durch die Wolken und ließ ein letztes Mal in diesem Jahr die Kraft des Spätsommers spüren. Bei der Kastanie, unter der man das Bierfass aufgestellt hatte, bildeten sich eingeschworene Trinkgemeinschaften, die auch dann nicht vom Fass wichen, als die ersten Reden gehalten wurden.
Als die Reihe an den Vater des Bräutigams kam, blickten alle erwartungsvoll hoch zu dem geöffneten Fenster, an dem Kazimierz Mysza mal saß, mal lag. Mühsam hatte er sich aufgerichtet – die Hilfe seiner Frau dabei ausgeschlagen – und beteuerte nun, wie unangenehm es ihm sei, nicht unten bei den Gästen feiern zu können. Aber natürlich habe man von hier oben einen besseren Überblick, über den Hof, das Bierfass und das Leben überhaupt. Über sein eigenes, aber auch das seines Sohnes Konrad – er prostete ihm mit einem Wasserglas zu –, das an Reichtümern und glücklichen Fügungen nichts entbehren solle. Im Übrigen müsse man nicht viele Worte machen: Frisch ans Werk, frisch ans Feiern! Und dass man nicht vergesse, ihn beizeiten hier oben zu besuchen und etwas Hübsches mitzubringen.
Bald war die Feier in vollem Gange.
Weitere Kostenlose Bücher