Ameisenroman
Drehtür in die Eingangshalle.
Dort wartete die Frau, die sich als seine persönliche Assistentin vorstellte.
«Ja, Guten Morgen, Mr. Cody, schön, dass Sie hier sind. Alle oben bei Sunderland Associates freuen sich schon auf Sie. Ich bin Sarah Beth Jackson, und ich bin da, um Ihnen zu helfen.»
«Ja, es freut mich sehr, Sie kennen zu lernen», antwortete Raff. «Wir haben eine Menge wichtige Arbeit vor uns.»
Sarah Beth, dachte er. Wie perfekt das nach Alabama passte – ein Doppelname für die zweite Tochter.
Sarah Beth redete gerne und konnte nicht das kleinste Schweigen ertragen. «Ich hoffe, Sie hatten ein so schönes Wochenende wie ich», plapperte sie, als sie in den Aufzug traten. «Ich war mit meiner Familie beim Angeln draußen in Pascagoula. Wir haben zwei große Wahoos gefangen. Die sind wirklich lecker, wenn man sie frisch grillt. Haben Sie schon mal Wahoo gegessen?»
Raff legte die Stirn in Falten und schüttelte langsam den Kopf, als bedauerte er, dass diese Erfahrung ihm bislang versagt geblieben war. In Wirklichkeit hatte er einen Wahoo nicht einmal richtig vor Augen. Er erinnerte sich, dass es ein großer Raubfisch war, der gelegentlich in Restaurants auftauchte, und in den Hafenstädten am Golf wie Mobile galt er allgemein als Novum.
Sie kamen in den vierten Stock und traten durch eine Tür, auf deren Rauchglasfenster in goldenen Buchstaben SUNDERLAND ASSOCIATES stand, ins Büro der Hauptverwaltung. Auf einem großen handgeschriebenenSchild auf dem Empfangstresen las er WILLKOMMEN, MR. CODY.
Sarah Beth führte ihn in sein Büro am hinteren Ende des Flurs. Er sah sich darin um und trat ans Fenster. Unten blickte er auf mit Dachpappe gedeckte Giebel über eng gedrängten Straßen. Wahrscheinlich, so vermutete er richtig, hatte man von den Büros auf der anderen Seite des Gebäudes Aussicht auf die Bucht von Mobile. Es gab im Büro keine Bücher und keine Büromaterialien – doch das sollte keinen Tag, ja keine Stunde länger so bleiben. Sarah Beth reichte ihm einen handgeschriebenen Zettel. In drei Stunden wurde er zu einem Mittagessen mit Drake Sunderland und Richard Sturtevant gebeten, dem Vize und Finanzchef der Firma. Das Ganze in Sunderlands Räumen am anderen Ende des Stockwerks.
Die Mitarbeiter unterbrachen nach und nach ihre Tätigkeit, die meisten setzten sich mit einer Tasse Kaffee für einen kleinen Schwatz zu ihm. Sie wollten den neuen Justiziar kennen lernen, allein oder in kleinen Gruppen, und ihn willkommen heißen. Nach ein bisschen Smalltalk verließen sie ihn alle mit den fast gleich lautenden obligatorischen Abschiedsworten: «Also, wenn ich etwas für Sie tun kann, dann lassen Sie es mich nur wissen.»
Er hörte aufmerksam zu, was jeder ihm sagte, egal, wie oberflächlich es war. Er versuchte, sich gleich ihre Namen zu merken und den Unterton in ihren Worten zu interpretieren. Ihm fiel auf, dass mehrere von ihnen leicht kantig sprachen, dass sie allzu ausführlich erklärten, wer von den leitenden Mitarbeitern wofür zuständig war, und übertrieben betonten, dass sie ihm jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stünden.
Raff verstand die implizite Abneigung gegenüber einemfünfundzwanzigjährigen Firmenneuling, den sie als höhergestellt empfanden. Gerne hätte er sie daran erinnert, dass sein Posten als Justiziar bei Sunderland etwas ganz Neues war, dass er außerhalb der Hierarchie stand und dass er niemanden überwachen oder anleiten würde außer Sarah Beth Jackson. Im Geiste merkte er sich diejenigen, die ganz offen ein gewisses Unbehagen ihm gegenüber zeigten. Es wäre bestimmt gut, dachte er, wenn er versuchte, ihr Vertrauen zu gewinnen.
Beim Mittagessen mit seinen Vorgesetzten bekam Raff es mit einer anderen, deutlich ernsteren Gefahr zu tun. Als das Essen serviert und das belanglose Geplänkel so weit abgeklungen war, dass ein ernsthaftes Gespräch beginnen konnte, kam Sturtevant schnell auf den Punkt.
«Raff, Mr. Sunderland und ich möchten nur ein für alle Mal klare Fronten schaffen und die Sache damit abhaken. Wir möchten hundertprozentig sicher sein, dass es innerhalb der Firma zu keinerlei Interessenskonflikt kommt, und nicht einmal zu einem Anflug davon. Ich bin mir sicher, dass Sie das auch nicht wollen.»
«Nosir, ganz und gar nicht», bestätigte Raff. «So etwas könnte die Geschäftsfähigkeit des Unternehmens schwächen und uns in einzelnen Fällen sogar juristisch anfechtbar machen. Aber damit ich mich ganz deutlich erklären kann: Wovon
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